Besuch vom Affen ohne Arme
Wolfgang wird zunehmend euphorischer. Rishikesh, eine der „aller“heiligsten Städte am Oberlauf des Ganges, wo das Wasser noch klar wie ein Kinderpo weich ist, wo einst schon die 5 bekanntesten Pilzköpfe Englands meditiert hatten, um von der Muse geküsst zu werden, rückt unaufhörlich näher.

Und schon ziehen wir daran vorbei, um noch ein Stück weiter flussaufwärts zwischen Sadhus, Babas, Yoga-Junkies, Erleuchteten, nach Erleuchtung strebenden, aufdringlichen Wochenendtouristen, kreischenden Wassersportfans und Ausgestiegenen auch unser Glück zu suchen. Über eine schmale, kurvenreiche Straße, vorbei an glotzenden Gibbonhorden, durch knorrigen, alten Laubwald und unterhalten von geradezu entschwebenden Pfauen erreichen wir die Zufahrt nach Laxman Jula.

Es bedarf einiger zäher Verhandlungstaktiken, um den Dorfpolizisten an der Zufahrtsschranke zum Örtchen dazu zu bewegen unser Fahrzeug durch zu lassen und Morpheus dort zwischen Straße und Fluss abzustellen, wo er bereits vor 7 Jahren rasten durfte. Fast wie damals, nur etwas mehr Zivilisationsmüll, Unterhaltungsgeile und waghalsige, laut vor sich hin hupende Möchtegern-Straßencowboys ist, bzw. sind über die Jahre hinzu gekommen.


Nach einem ausgiebigen, kühlen Bad in Ganga und bevor wir so richtig ins bunte Treiben ein paar Meter die Straße abwärts einsteigen können, bekommt Gaia Fieber, Husten, Schnupfen und wird von uns mit allen möglichen Tricks ans Bett „gefesselt“. Die einzige Chance auf 100% Genesung in kürzester Zeit. Den täglichen Unruhestiftern – mal meint eine übergewichtige indische Dame, sie müsse auf der Stoßstange fürs Fotoalbum posieren, die üblichen Frager, nach Herkunftsland, Reisedauer, Wo war`s am schönsten?, oder übermütiges Kicken gegen die „riesigen“ Reifen – begegnen wir zuerst noch mit verbalen, rüden Überraschungsattacken, doch irgendwann stellen wir fest, am Zeit und Energie unaufwendigsten sind Ignorieren, oder „Einer stellt sich“.

Wie dem auch sei, nach 3 Tagen in Isolation (zumindest für Gaia und mich; Wolfgang versorgt uns mit Lebensmitteln und Unterhaltungsstoff aus Dorf und Internet) geht’s gesundheitlich wieder steil bergauf und der „Strand“ einige Schritte entfernt schreit erneut nach unserer Aufmerksamkeit.


Zwischendurch freuen wir uns jeden Nachmittag über ein bisschen Ablenkung der anderen Art, wenn die ansässige Affenbande auf ihrem Streifzug durchs benachbarte Abfallbeet direkt vor unserer Haustüre vorbei wandert. Irgendwie sind diese munteren Gesellen/-innen gar nicht so fürchterlich, wie der Ruf, der ihnen voraus eilt und traut sich doch mal einer bis über die Türschwelle…Krach machen!
Mit der Zeit lernen wir sie unterscheiden – die alten, behäbigen Damen, völlig desinteressiert an Unsereins, die immer nur kurz verweilen, um etwas Fressbares aufzulesen; die neugierigen, jungen Affenmütter, die stundenlang stillend vor dem Eingang kauern und das blaue Ungetüm von hinten bis vorn bewundern; keckernde Jungtiere, die von einem Ast zum nächsten fallen,…




und ganz besonders ein Teenager, der uns auf zwei Beinen entgegen kommt. Ansonsten gepflegt, gut genährt und selbstbewusst, fehlen diesem Affen beide Unterarme, was ihn zum aufrechten Gang und zu einem Leben am Boden verurteilt. Wir werfen ihm ein paar Apfelstücke hin und staunen, wie selbstverständlich er die kleinen Präsente zwischen die Armstummel nimmt und herzhaft zubeißt. „Vorsicht Affe!“ – eine kurze Drohgebärde und schon ist der Konkurrent in die Flucht geschlagen. Unser neuer Freund hat Durchsetzungskraft und scheint berüchtigt zu sein. Jeden Abend warten wir nun, dass er sich vielleicht wieder blicken lässt, um vom besten Platz der Gegend aus die letzten Sonnenstrahlen des Tages zu verabschieden.


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