MORPHEUSREISEN

auf der straße des lebens

Kategorie-Archiv: 2012/04 Pakistan

Khunjerab Pass

Sturz und Aufstieg

Doch zum Ende hin wird es noch einmal heikel – es gibt Tage, die wollen einfach kein Ende nehmen…

Bevor der letzte Truck das rettende Ufer erreicht, zieht ein Sturm auf, der die Wartenden wegen des aufgewirbelten Sandes ins nächste Zelt verschlägt und die deutsche Familie im Unimog vorerst noch an Bord fesselt und in einer windgeschützten Bucht ums Eck zum Ausharren zwingt. Auch uns und der Besatzung des italienischen Fiat Iveco ist noch keine Verschnaufpause gegönnt. Wie Wolfgang und Luca zufällig auf der letzten Überfahrt mitbekommen, steigt der Wasserspiegel seit einigen Tagen und sollten wir uns bis zum darauf folgenden Morgen Zeit lassen eine ca. 100 Meter lange Durchfahrtspassage zu durchqueren, könnte es bereits zu spät sein und wir müssten noch ein weiteres Mal verladen…

Wasserpassage

Doch mit Hilfe zweier angeheuerter „Leitburschen“ kann der Abschnitt noch rechtzeitig überwunden werden, auch wenn uns das graue, kalte Nass bis über den Auspuffrand steht!

Mit einem Quäntchen Glück, viel Geschick and „a little help from our friends“ schaffen wir`s aus dieser unüberbrückten Situation heraus und an diesem erfolgreichen Abend (der Wind legt sich schließlich und auch die Passagiere des letzten Fahrzeugs dürfen eine ruhige Nacht verleben) kann noch keiner damit rechnen, was einige Stunden später passieren soll.

Um die gemeisterte Herausforderung entsprechend zu feiern, brechen wir am nächsten Morgen gemeinsam auf, um den steilen Anstieg zu einem nahe gelegenen Bergsee in Angriff zu nehmen und dort bei fantastischer Aussicht und einem Hunza-Schaf am Spieß zu feiern. Doch der Aufstieg ist mit Morpheus Wendekreis und ohne Servolenkung auf dem schmalen, unbefestigten Zufahrtsweg nicht so ohne weiteres zu machen; bereits in der ersten Kurve beginnt die Kupplung, die schon bei der Verladung sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde, zum Stinken …und so wird der gemeinsame „Laster-Weg“ für die nächsten drei Tage gekappt, und wir fahren rückwärts wieder bergab. Vielleicht wäre es unter viel Schweiß möglich gewesen den anderen mit Müh und Not hinterher zu hecheln, aber an diesem Tag steht der engkurvige Anstieg in keinem Verhältnis zu was auch immer uns da oben erwartet. Vorerst übersättigt an Aufregung und Anstrengung!

Unimog auf Abwegen

Nur wenige Kilometer die Hauptstraße voran findet sich auf einem Hügel ein Plätzchen, wie für uns geschaffen. Es duftet nach frischen Kräutern, die Aussicht auf das umliegende Kathedral – Gebirge, einen Gletscher und die saubere Luft machen einen ganz schwindelig und weit und breit ist kein Interessierter auszumachen. Genau der richtige Platz um ein bisschen auszuruhen und sich den Geschmack von Freiheit auf der Zunge zergehen zu lassen…

Traumplatz

Hunza - Valley

Gaia Himalaja

Einen ganzen Tag lang, bevor es wieder auf die Straße in Richtung pakistanisch/chinesischer Grenze geht. Viel Zeit bleibt nicht bis zum festgesetzten Termin mit einem weiteren „Guide“. Eigentlich nur noch vier Tage bis wir Pakistan im Konvoi verlassen wollen und bis dahin gilt es die herrliche, menschenarme, abgeschiedene Landschaft zu entdecken und zu genießen.

Einsam und Verlassen
Idylle
Gaia ruft!

Hier oben hat man nicht nur das Gefühl, man wäre vom Rest der Welt abgetrennt…seit dem 11. September 2009 bleiben die Wandertouristen tatsächlich aus, die saisonal wohl nicht nur frischen Wind, sondern den Bewohnern des Tals auch einen gewissen Wohlstand einbrachten. Auch wenn wir jenes Gefühl schätzen, die Menschen hier sind über die Entwicklungen seither nicht sonderlich erbaut. Der Haupteinnahmequelle, das Geschäft mit allen voran amerikanischen Expeditionisten ist gegen Null geschrumpft, die Gästehäuser verfallen zusehends, die Versorgung mit frischen Lebensmitteln von außerhalb ist praktisch nicht mehr vorhanden. Einerseits. Andererseits hat man in der Zwischenzeit damit begonnen wieder auf eigenen Beinen zu stehen. In den kleinen Dörfern entlang der Straße erblühen rund um niedrige Natursteinhäuschen Gärten. Gärten, in denen an zierlichen Obstbäumen wunderbare Blumen erblühen! Es herrscht eine gemütliche Atmosphäre, die Leute winken und lachen, reißen die Arme zum Gruß in die Höhe. Hier ein Eselchen, dort ein paar Schafe, ein paar winzige Lädelchen mit allerlei Nützlichem und Süßkram.

Stop Enjoy Coca Col

Pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt treffen wir im Grenzörtchen Sost ein und sind
etwas überrascht davon, dass hier schon seit Wochen kein anderes ausländisches Fahrzeug gesichtet wurde. Weit und breit nur Schuhverkäufer, arbeitslose Lkw-Mechaniker, schlecht ausgestattete Gemüsebuden und grinsende pakistanische Männergesichter.
Beim Bummel über „die Hauptstraße“ trifft Wolfgang auf den Betreiber eines Gästehauses, der uns einige Kilometer rückwärts gestattet hatte Wasser aufzufüllen. Er berichtet ihm nun davon, dass ein orangefarbener Truck in der Nähe seines Heims einen Unfall gehabt hätte, bei dem jedoch glücklicherweise niemand verletzt wurde und der eigentlich nicht weiter schlimm gewesen sei…Hmm, der Beschreibung nach zu urteilen, handelt es sich bei dem Fahrzeug um den „Ganesh“ unserer italienischen Freunde Luca und Sameena…was nun?

Da auch von den anderen sechs Mobilen weiterhin jede Spur fehlt, gehen wir davon aus, dass sie vor Ort sind und man uns sicher kontaktieren würde, sollte man unsere Hilfe benötigen. Also erst mal die Stellung halten, falls irgendwer von den anderen Konvoijoten auftaucht und nicht weiß, was los ist. Und tatsächlich rauscht kurz vor der Abenddämmerung der Jeep von Michiel und Tachna an…doch was sie uns in Wort und Bild zu berichten haben, bringt unser Hoffen auf einen glimpflichen Ausgang der Geschehnisse ins Wanken, denn der mit Steinen selbst gebaute Weg zum Bergsee brach unter den herunter fahrenden Tonnen „Ganesh`s“ zusammen, und der Iveco kippte auf die Seite. Gleich in der Früh machen wir uns schnurstracks auf die Socken, um bei den Bergungsarbeiten und der Unterstützung der Anwesenden behilflich sein zu können.

LINK

Was keiner auf einer solchen Reise zu befürchten wagt war also passiert; doch was eine Hand voll entschlossener Menschen mit geeinten Kräften daraufhin in kürzester Zeit erreichte, konnte sich ebenfalls keiner der Beteiligten nach den ersten Eindrücken vorstellen.

Ganesh nach dem Sturz

Ganesh nach dem Sturz

Mit nur einem Tag Verspätung und einem zwar provisorisch in Stand gesetztem, aber doch funktionsfähigem „Ganesh“ stehen wir vollzählig vor dem pakistanischen Grenzabfertigungs-posten und sind bereit für den Aufstieg auf 4700 Meter, über den Khunjerab Pass; fast bereit für einen Katzensprung von (deutschem) Sommer nach Winter.

Grenze Pakistan nach China vor Khunjerab Pass

Konvoi

Aufstieg Khunjerab

Aufstieg Khunjerab

Khunjerab Nationalpark

Oben angekommen

Schneegespräche

Der Himalaja

Das Hunza – Valley

Alles oder Nichts

 Hier stehen wir also. Am Ufer des so genannten Attabad-Lake im Hunza Tal.

Fast surreal glitzert das türkisfarbene Wasser im Schein der Morgensonne zwischen den kahlen, staubig grauen Steilhängen zu unseren Füßen. Fast zu schön für einen Tag wie diesen.

Stolze 16 Kilometer Länge misst der See; 50 Meter gähnt der kühle Abgrund in die Tiefe; die schwer wiegende Hinterlassenschaft eines gewaltigen Erdrutsches vor gut zweieinhalb Jahren, der nicht nur den Karakorum Highway über diese Passage lahm legte, sondern für viele Menschen den Verlust all ihres Hab und Guts bedeutete. Ganze Dörfer liegen unter den Wassermassen begraben und noch immer leben viele der Betroffenen von damals in Behelfsunterkünften der UNHCR entlang des Flusslaufs unterhalb des „natürlichen“ Damms.

Durch kontrollierte Sprengungen, die uns eine unruhige Nacht bescheren, versucht man seither das Wasser nach und nach abfließen zu lassen und eine Flutwelle, die bei einem Einsturz des Walls das Flusstal hinunterrollen würde, zu vermeiden…die komplette Aufhebung der Barriere dürfte allerdings noch Jahre in Anspruch nehmen. Man erzählt sich, dass die chinesischen Baufahrzeuge, die gesichert hinter schwerem Stacheldraht in Bereitschaft stehen in naher Zukunft mit dem Bau eines Tunnels unter dem See beginnen sollen. Wie viel Wahrheit in solchen Gerüchten steckt, bzw. wie schnell ein solches Projekt in die Realität umgesetzt werden könnte, können wir nicht beurteilen.

Hier stehen wir also, im Jetzt, und können uns mit unseren eigenen Augen davon überzeugen, dass die Überwindung eben jenes Hindernisses für ein Schwergewicht wie Morpheus unter den gegebenen Umständen ein waghalsiges Unterfangen wird. 16 Kilometer löcheriger Teer für unsr`e 7,5 Tonnen – eventuell verbunden mit einigen Inspektionen, aber kein Problem. 16 Kilometer sandige Piste – in durchschnittlich einer Stunde zu bewältigen. 16 Kilometer in einer Höhe von 5000 Metern – etwas rußig, außer Puste, aber erfolgreich überwunden.

Die Überquerung von 16 Kilometern des Elements Wasser jedoch, ohne geeignetes Beförderungsmittel ist wohl eher vergleichbar mit dem Durchbrechen der Schallmauer per 100 PS.

Eigentlich hatten wir uns, als wir uns dem Konvoi durch Westchina anschlossen darauf verlassen, dass die Streckenverhältnisse geklärt wären; warum so viele Kilometer zurück legen, den teuren Trip durch China vorab begleichen, um dann so kurz vor dem Ziel wieder zurück fahren zu müssen? Und eigentlich war die Beförderung der leichteren, bzw. kleineren Fahrzeuge auch nicht das große Problem…

Wäre, wie selten im Leben, alles glatt gegangen, wären wir im Dörfchen Karimabad angekommen, hätten uns eine Genehmigung besorgt auf militärisches Gelände zu fahren und hätten dort einen halben Monatslohn berappt, um per schwimmender Militärplattform sorgenfrei ans andere Ufer geschippert zu werden.

Doch just da wir Karimabad erreichen befindet sich der Hauptantriebsmotor eben jener Plattform, die uns eigentlich sorgenfrei übersetzen sollte in der Werkstatt, weil er seit gut zwei Monaten defekt ist. Kaputt. Gut, aber so ein Motor könnte theoretisch schnell wieder repariert sein…Ja, doch momentan bestehe kein Bedarf an einem Beförderungsmittel für schwere Lasten und außerdem fehle die Genehmigung zur Reparatur…Gut, dann sucht man eben nach jenem, der die Genehmigung erteilen kann…der Besitzer des „Rakaposhi Campingplatzes“ hat sogar eine Nummer. Die Nummer seines Cousins, der zufälligerweise der Bürgermeister der Povinz ist. Leider ist der heute nicht anzutreffen, weil das Wochenende angebrochen und er zur Familie in die nächste Stadt gefahren ist…

Doch schon am nächsten Morgen ruft er zurück und die Lenker der schwergewichtigen Fahrzeuge, also Wolfgang, Luca und Harald werden zum Gespräch eingeladen. Es dauert einen halben Tag, bis sie nach Kaffee und Kuchen erfahren, dass der Bürgermeister hier eigentlich auch nicht weiter helfen kann und auch nicht wisse, wer der Entscheidungsbefugte im vorliegenden Fall sei, oder, wo er wohne.

Nach drei Tagen des unermüdlichen Ergründens, Drängens, nach Personen und Lösungen suchen, Diskutieren und Organisationsvorschlägen vorbringen der Männer schwinden Zuversicht und Verhandlungslust. Langsam lässt sich abschätzen, dass die Zeit, die man benötigen würde, um diese Angelegenheit offiziell zu regeln zu lange währen würde, um rechtzeitig zum vereinbarten Termin die Grenze zu erreichen. Außerdem steht in den nächsten Tagen eine größere Sprengung am Damm bevor (niemand weiß den genauen Zeitpunkt), die jeglichen Transport auf unbestimmte Zeit außer Betrieb setzen wird.

Letzten Endes bleibt nur die Wahl zwischen zwei verbleibenden Handlungsmöglichkeiten:

Entweder wagen wir den Versuch die allesamt tonnenschweren Fahrzeuge auf jeweils zwei miteinander vertaute Schifferboote zu verladen und darauf zu vertrauen, dass die Eigentümer mit ihrer Annahme, die Boote würden das schaffen, richtig liegen, oder umzudrehen.

Doch irgendwie gehört Umkehren und bereits Verdautes noch einmal zu (er-) leben nicht so ganz zu unseren Stärken (schon gar nicht, wenn es relativ mühsam war ein Ziel zu erreichen)…obwohl…Mein erster Kommentar nach Sicht der Fotos von den Booten: “Du spinnst wohl, da brauch ich gar nicht drüber nach zu denken, das machen wir auf  gar keinen Fall! Was sollen wir denn machen, wenn unser Haus absäuft, meine Nähmaschine, die Bücher,…? Wolfgang: “Es säuft nichts ab; Ich mach das schon; Vertrau mir halt! Es ist aber ein echtes technisches Abenteuer! Der Weg zur Verladungsstelle macht mir allerdings am meisten Sorgen!“…

Eigentlich ist man im 6. Monat nicht mehr ganz so abenteuerlustig, aber umkehren…und Gaia geht es auch wieder besser…

Manchmal tut es gut gedanklich los zu lassen, sich zu befreien! Was habe ich zu verlieren? Wir werden sicher nicht untergehen! Einen Schritt zurückgehen, Durchatmen, Anlauf nehmen und los! Alles, oder Nichts!

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Der Karakorum – Highway

In Begleitung

Ab hier tauchen wir in die aktuelle Wirklichkeit Nordpakistans ein und mit jedem zurück gelegten Kilometer mehr, erscheint die Welt um uns herum ein bisschen ungebändigter, ein bisschen abenteuerlicher und anders als vermutet; was erwartet uns wohl dort oben, in ein paar tausend Atemzügen Entfernung, wo sich drei der höchsten Gebirgszüge, der Hindukusch, der Karakorum und der Himalaja im Land der Paschtunen und Hunza kraftstrotzend gegenüberstehen?

Karakorum Highway

Schon dort, wo die Hauptstadt ein jähes Ende findet, die wir gemeinsam mit Eva und Jens aus Deutschland und Michel mit Freundin Tachna aus Belgien verlassen, verändern sich nicht nur das alltägliche Leben der Menschen und das Gesicht der Landschaft erneut, sondern auch kulturelle Gepflogenheiten wechseln und erfreulicherweise das Wetter. Es kühlt ab. Die Straßen, die wir uns mit Ziegen und Schafen teilen werden schlechter und außerhalb der Städte wird der Anblick weiblicher Silhouetten immer rarer.

Pakistanisches Landleben

 Kartenstudien

Bei der Stadt Haripur gelangen wir schon nach kurzer Zeit auf den berühmt berüchtigten „Karakorum – Highway“, die Straße des „Schwarzen Gerölls“ mit dessen Bau bereits 1958 begonnen wurde und der wohl nie ganz abgeschlossen sein dürfte. Doch auf den ersten von insgesamt ca. 700 Kilometern, die uns auf eben jener Straße bis zur chinesischen Grenze noch bevorstehen, präsentiert sich die einzige Verbindung des mächtigen ex-kommunistischen Bruders an den Indischen Ozean zwar stark befahren und landschaftlich eher unspektakulär.

Der erste Fahrtag durch den Verwaltungsbezirk Khyber Pakhtoon zieht sich scheinbar endlos in die Länge. Noch wollen die Streckenposten zwar hin und wieder einen Blick in unsere Pässe werfen und stellen vereinzelt Fragen nach offiziellen Papieren, die uns dazu bemächtigen würden das Gebiet zu passieren (die wir aber nicht vorweisen können), dennoch bleiben wir von bewaffneten Mitfahrern vorerst verschont.

Sind wir hier richtig?

Nachdem wir bei Einbruch der Dunkelheit jedoch die Brücke über den Indus zwischen Shiwi und Besham überquert haben, lässt man uns nicht mehr so einfach durch. Erst nach hartnäckigen Diskussionen und einem offenkundig höheren Beamten am Mobiltelefon gewährt man unserem kleinen Konvoi in Begleitschutz und ohne notwendiges Papier die holprige Weiterfahrt im Dunkeln bis nach Besham. Dort müssen wir vor der nächsten Schranke noch ein Weilchen länger warten, bis man uns die Erlaubnis erteilt, die letzten 500 Meter bis zu einem der „sicheren“ Übernachtungsplätze vor einem der PTDC-Hotels zurück zu legen. Wir sind mittlerweile in politisch instabilen Gebieten angekommen, weshalb sich am nächsten Morgen ein Maschinengewehr schwingender Begleiter zu uns gesellt. Er allein muss uns und unsere 3 Fahrzeuge auf den folgenden 20 Kilometern durch die Bergpassage, von der die Verbindungsstrecke ins Swat-Valley, bis wohin der kurze Arm des pakistanischen Gesetztes immer noch nicht zu reichen scheint, beschützen.

Karakorum Highway

Nachdem er uns verlassen hat, besonders zur Freude von Jens, dem er seinen Gewehrlauf die ganze Zeit über unbedacht ins Gesicht hält, zeugt die Szenerie auf der anderen Seite der Scheibe eindeutig davon, dass wir nun bis ins Paschtunengebiet vorgedrungen sind. Es wird noch „wilder“, der Zustand der Straße, die Behausungen der Menschen, das Angebot an Nahrungsmitteln lassen auf die größere Armut der Region schließen. Weit und breit kann ich die kommenden Tage keine Frau mehr entdecken; nur einmal kauern an einer Bushaltestelle hinter einer provisorisch errichteten Mauer zwei vermummte Gestalten. Männer mit manchmal hennarot gefärbten Bärten und den typischen Wollmützen auf den Köpfen sitzen in Grüppchen am Straßenrand, gucken mal grimmig, mal verwundert, oder freundlich lächelnd zu uns herein.

katastrophale Straße

 Paschtunen

Nordpakistan

Im Gegensatz zum Iran, in dem das Tragen eines Kopftuchs gesetzlich festgelegt ist, fühle ich mich hier eigentlich in keinster Weise dazu genötigt ein solches zu tragen, tue es dann aber aus Respekt und zum Selbstschutz doch. Auch dieser Tag soll schließlich in einem der PTDC-Hotels mit nettem Garten und schöner Aussicht enden, hinter dessen Natursteinmauer eine Hand voll kleiner Jungen mit schwarzen, braunen, blonden, roten Haaren und manchmal blauen Augen lautstark um ein paar Stifte betteln. Ich fühle mich in diesem Land wesentlich wohler, als anfänglich befürchtet und meine Neugierde auf die Menschen, die hier leben wird immer größer.

Im Fokus

In dieser Nacht jedoch werde ich vom Geräusch ankommender Fahrzeuge und dem Gespräch über ein knackendes Satellitentelefon direkt neben dem Blech wach gehalten und ich denke schon: Mist, jetzt holen sie uns doch noch…In der Finsternis draußen kann man nichts erkennen und nach einigen unruhigen Minuten schlafe ich dann doch wieder ein.Am nächsten Morgen stellt sich heraus, dass wir von der örtlichen Polizei gefunden worden waren und man nicht nur Wächter über unseren Schlaf abgestellt hatte, sondern uns außerdem eine Motorrad-Eskorte bis 5 Kilometer weiter zu Verfügung gestellt wird.Von da an werden wir von einem Streckenposten zum nächsten quasi weiter gereicht, wo dann individuell entschieden wird, ob man uns Begleitschutz mitgibt, oder auch nicht.

  Begleitschutz

mit Motorrad

Ab der Grenze nach Gilgit – Baltistan sind wir dann endgültig wieder uns selbst überlassen und das fühlt sich ehrlich geschrieben auch nicht viel anders an.

Das Gebirge, in das wir vorgedrungen sind, macht seinem Namen nun alle Ehre. Die mächtigen Felsen und das Geröll, das in alle Himmelsrichtungen ragt und das manches Mal nur noch eines kleinen Schubsers zu bedürfen scheint, um uns auf der anderen Seite der Straße mit sich in die Tiefe ins eiskalte Flusswasser zu reißen, sorgt für den täglichen Adrenalinkick.

Straßenbeschilderung

 

Die Landschaft wird von Meter zu Meter faszinierender, ist einzigartig in der Härte an Kontrast und Kontur; grüne Oasen, blauer Himmel, rote, braune, schwarze Felsen, beiger Sand, weiße Gipfelspitzen – da bieten sich auch immer wieder Möglichkeiten die angestauten Anspannungen wieder davon zu jagen.

Der Karakorum

 Einsame Bergwelt

Sandsurfen

 Prachtexemplar

Im Angesicht des Schnee bedeckten Nanga Parbat treffen wir am „Tag der Arbeit“ auf einem ruhigen Wüstenplätzchen nahe der Strecke wieder auf die beiden anderen „Schwergewichte“ des geplanten Konvois durch China – den deutschen Unimog und den italienischen Fiat. Die Wiedersehensfreude rund um die Familien wird nur durch ein plötzlich an diesem Tag beginnendes Fieber bei Gaia getrübt. Mit 38 Grad hat sie verständlicherweise keine große Lust draußen mit zu buddeln, sondern zieht einen dunklen, ruhigen Raum und wenig Unterhaltung vor.

Inmitten der Gebirge

Das anhaltende Fieber ist denn eigentlich einen Tag später auch der Grund dafür, warum wir die Abgeschiedenheit des Ortes mit Mongolei-Flair noch ein wenig bevorzugen würden…jedoch holt uns die Nachricht über einen Erdrutsch, der in der voran gegangenen Nacht abgegangen sei und die Straße in unserer Richtung blockiere ein und ändert die Pläne. Außerdem schrumpft unser Quantum an Zeit zusätzlich, als uns ein anderes Konvoimitglied via Telefon über die Situation am Attabad-Lake in Kenntnis setzt. Wir müssen so schnell wie möglich weiter und die Überfahrt der großen Fahrzeuge über den im Jahre 2009 durch einen Erdrutsch entstandenen, 16 Kilometer langen Stausee organisieren. Noch immer scheint kein geregelter Fährenverkehr zu existieren.

lonely donkey

Da hilft alles nichts; so weit oben und beinahe abgeschnitten von zuverlässiger ärztlicher Versorgung, mal abgesehen vom „Polio-Mann“, der uns an jedem „Checkpoint“ eine Schluckimpfung verpassen will, bekommt Gaia einen Löffel Paracetamol. Das senkt das Fieber vorerst und regt ihren Appetit an, so dass sie die holprige Fahrt über eine alternative Piste gut übersteht.

Straßenarbeiten

Als wir nach einer Stippvisite der Verwaltungshauptstadt Gilgit schließlich den „Campingplatz“ von Karimabad erreichen, kehrt nicht nur Erleichterung darüber ein, den längsten Abschnitt der Strecke bewältigt zu haben, sondern es keimen auch alte Erinnerungen auf. Im Gästebuch, das der Besitzer stolz präsentiert kann man noch immer Wolfgangs Unterschrift von vor über 7 Jahren finden, als er hier gemeinsam mit seinem alten Reisekumpanen Wolfgang zu Besuch war. Für sie endete der damalige Ausflug über den Karakorum – Highway an dieser Stelle, für uns soll der spannende Teil erst noch beginnen.

 Good bye Pakistan

long live pakistan

Islamabad

„Im Käfig der Löwen“

Nach 4 Tagen in der Hauptstadt ist der Stand der Visa-Angelegenheiten folgender:

Eine Absage der kasachischen Botschaft mit der Begründung, diese Woche seien bereits zu viele Bewilligungen erlassen worden und nun gäbe es „Probleme“…

Eine Zusage der Kirgisen mit Einladung zum Tee beim Konsul.

Fortlaufendes Ringen mit der chinesischen Bürokratie, weil das Einladungsschreiben der Reiseorganisation bezüglich unseres bevorstehenden Aufenthalts noch nicht korrigiert wurde und Logik bei den Behörden schwer anzubringen ist.

Es hilft also alles nichts, da müssen auch Gaia und ich uns auf den Weg in den „Käfig der Löwen“ machen, um die hart getrimmten Herzen niemals lächelnder Entscheidungsbefugter ein wenig zu erweichen.

Der Taxifahrer, zu dem wir ins kleine, Gas betriebene Fahrzeug einsteigen lässt sich jedenfalls schon Mal nicht erweichen uns preislich entgegen zu kommen und so können wir nur hoffen, dass der Tag besser wird. Das Pakistanische Wochenende steht vor der Tür (ab Freitag) und das bedeute, laut seiner Aussage, das Gas wird knapp, bzw. ist überhaupt nicht mehr verfügbar, was an den politischen Interessen des Nachbarn Iran liegen würde…

Wir nehmen das so hin und zahlen für gute 8 Kilometer umgerechnete 2 Euro, bis wir vor dem Zufahrtstor zum eingezäunten Verwaltungsdistrikt der ausländischen Obrigkeit stehen, wo ein forscher junger Polizist gerade mit seiner Kalaschnikow herum wedelt, als wäre sie ein Kinderspielzeug.

Wolfgang, der bereits zum dritten Mal hier auftaucht, wird beim Eintreten vom Vorsteher mit Handschlag begrüßt und erst ein paar Schritte weiter, vor der nächsten Hürde, dem Metalldetektor (Frauen und Männer werden separat abgefertigt) kommt es zu ersten Komplikationen. Die junge Dame auf meiner Seite will nicht einsehen, dass man sich schwanger dieser Prozedur lieber nicht unterzieht. Die Wortfetzen fliegen hin und her und sie erweist sich als hartnäckiges Gegenüber. Erst nachdem ich den blickdichten Vorhang wieder beiseite reiße und mich anschicke zur Männerseite zu wechseln und dort weiter zu diskutieren, wird Anweisung zum Abschalten gegeben. Hähä! Dafür fällt das Abtasten (vollständig bekleidet!) dann aber umso genauer aus.

Wir betreten die Empfangshalle. Hier muss man zuerst Fahrscheine für den VIP-, oder Low-Budget-Shuttle-Bus zu den Botschaften erwerben, bevor es im Anschluss Gratis Wasser und Kaffee gibt. Irgendwie Bahnhofsstimmung, nur mit mehr „Sicherheitsgefühl“. Aber vielleicht hat sich ja auch das in der Zwischenzeit geändert.

Durch die nächste „Leibesvisitations-Kontrollschleuse“ geht es weiter zu den „billigen“ Plastikwarteplätzen und diesmal wird sogar Gaia gefilzt! Irgendwie könnten die Probleme, die man an Ort und Stelle hat auch anderer Natur sein, als nur terroristischer…

Schon 10 Minuten später trifft der Bus ein, wir werden aus dem Gitterkäfig in die Freiheit des Diplomatenareals entlassen und sogar höflichst in der Warteschlange nach vorn gebeten.

Weitere 10 Minuten später stehen wir vor dem Drehkreuz der chinesischen Botschaft, wo der nächste Kalaschnikow-Jongleur Wolfgang vorübergehend um seine Wasserflasche erleichtert.

Dann, der nächste Metalldetektor. Zum Glück ausgeschaltet (erspart Diskussionen) und umgehend befinden wir uns artig sitzend vorm Passschalter.

Die Art und Weise in der die chinesische Dame hinter`m Panzerglas mit den Bittstellern verfährt lässt sämtliche Hoffnungen auf Verständnis vorübergehend schwinden und auch die Nachrichten, die über einen riesigen Flachbild-Bildschirm flackern, noch mehr Soldaten, Gewehre und Hektik, reißen uns für den Moment aus unserer „Alles ist möglich“-Lethargie. (Aber der Platzwart vom Camping hätte uns sicher mitgeteilt, wenn die Welt gerade unterginge, oder…?)

Wir sind an der Reihe. Noch bevor Wolfgang den ersten Satz auspackt, spricht die Körpersprache der harten Dame Bände. („Auf dich hab` ich grad überhaupt keinen Bock!“) Es folgen Fragen nach diesen und jenen Papieren, die er aber wohl wissend im Voraus organisieren konnte und vorzeigen kann. Nur eben jene VERLÄNGERTE Einladung ist immer noch nicht per Email bei uns eingegangen und an das eventuell pochende Mutterherz scheinen wir vergeblich zu appellieren. Doch am Ende obsiegt unsere Penetranz und ein Kollege wird hinzugezogen, der nach einigem Hin und Her und mit einem Seitenblick auf Klein-Gaia ein  Einsehen hat und zu wissen scheint, dass vor allem Kleinkinder einige Zeit benötigen, um sich körperlich auf veränderte Bedingungen in höheren Lagen anzupassen (Kunjerab-Pass über 4700 Meter).

Mit der Zusage über die gewünschte Visadauer von sieben Tagen und einem erleichterten Grinsen auf den Gesichtern über das erreichte Tagesziel, verlassen wir das Gebäude schließlich wieder, in das Wolfgang nun nur noch ein einziges Mal zurückkehren muss, um die Pässe Tags darauf wieder abzuholen.

In der Zeit, in der wir auf den „Männer-Frauen-getrennt-Low-Budget-Shuttle-Bus“ warten müssen, werfen wir noch einen Blick auf die bunten Fotografien neben dem Eingang, auf denen rote Laternen, lächelnde Menschen und bunte Drachen abgebildet sind, China, wie es leibt und lebt eben, atmen tief durch und freuen uns beinahe auf Runde drei!

Von Amritsar nach Islamabad

„Celo Pakistan“

Von Amritsar aus, wo wir uns gut „betucht“ auf die Umrundung des bedeutensten Heiligtums der Gemeinschaft der Sikhs, den „Golden Temple“ machen und ein paar gemütliche Runden in Mrs. Bandaris Swimmingpool drehen, bis Islamabad, das ohne Übertreibung eher einer Hochsicherheits-Enklave ausländischer Diplomaten und Hilfswerke-Mitarbeiter gleicht, als einer Hauptstadt, dauert es genau einen Tag.

Golden temple

Golden Tempel

Mittendrinn

Einen Tag, 350 Kilometer und einen Grenzübertritt. Wir sind pünktlich, um unser angestrebtes Ziel an diesem Tag noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, doch Indien lässt sich Zeit uns ziehen zu lassen. Zehn nach Zehn scheint der Morgenkaffee dann aber endlich ausgeschlürft und die komplexe Militäruniform korrekt andrappiert zu sein, nur die Software ist noch nicht ganz warm gelaufen. Wir warten. Ganze drei Stunden am Ende, bis wir gemeinsam mit einer Hand voll anderer Zivilisten das Gebäude der Einwanderungs-behörde verlassen und mit den Spaßvögeln vom Zoll eine Runde in unserem lustigen Auto drehen dürfen…irgendwann sind daraufhin endlich auch Fahrgestell- und Motornummer kontrolliert und als die Beamten auf dieser Seite der Barriere schon beinahe wieder Feierabend machen (angeblich spektakulärer Abendappell täglich 17 Uhr) werden wir auf der anderen Seite des „berühmten“ Exerzierplatzes höflichst begrüßt und schnellstens abgefertigt. Pakistan – erster Eindruck: effizient, organisiert, gastfreundlich!

Am Getümmel entlang der weiterhin gut ausgebauten Straße ändert sich zuerst nicht viel, außer dass man es hier offensichtlich geschafft hat, alles, was weniger als vier Räder (oder gar keine) hat und nicht sich nicht schneller als mit 20 km/h fortbewegen kann, von der Hauptstrasse zu verbannen. Die Anwohner scheinen die ausschließlich in korrektem Englisch verfassten Verkehrsschilder also bestens interpretieren zu können und sich auch noch daran zu halten.

Oder doch?

Weiterhin laden bunte Werbetafeln mit einem umfangreichen Angebot zu einer Pause in einem der Restaurants entlang der Strecke ein, in jedem Örtchen begegnen uns Getränkelaster eines berüchtigten Spirituosen-Großhandels und dunkelhaarige Schönheiten lächeln von riesigen Bannern dem Passanten ins Gesicht, um ihn von der Unabdingbarkeit eines neu entwickelten Pflegeprodukt zu überzeugen. Pakistan – zweiter Eindruck: moderner als vermutet!

Mal wieder anders

Kilometer reiht sich an Kilometer, Mautstelle an Mautstelle, Stunde um Stunde verrinnt, bis wir unser Ziel, Islamabad, dann tatsächlich noch bei Einbruch der Dunkelheit erreichen. Ein Band aus schwer bewaffneten Sicherheitskräften sichert die top ausgebaute, strahlende, sechsspurige Autobahn, auf der wir sofort von den altbekannten, weißen, mit Mega- Antennen ausgestatteten UN-Fahrzeugen umzingelt sind und selbst ein X-Ray, ein Röntgengerät aus Deutschland für Fahrzeuge, im Wert von mehr als einer Million Euro funkelt unbenutzt im Schein der Abendsonne in einer Haltebucht vor sich hin. Da fühlt man sich doch gleich viiiel wohler…

Fleisch im Ueberfluss

Auf dem Campinggelände unterhalb des Verwaltungssektors 8A, östl. des „Nullpunkts“ wartet man heute schon auf uns. Ein Teil der Truppe, der wir uns durch China anschließen wollen, die italienische Familie aus Nepal, eine fünfköpfige deutsche Familie unterwegs im Unimog und ein belgisches Pärchen mit Landrover sind bereits seit einigen Tagen mit der Beschaffung diverser Visa beschäftigt. Doch dieses Kapitel beginnt für uns dann erfreulicherweise dann erst am darauf folgenden Tag.

Morpheus Pause

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