„Dürfte ich bitte Ihre Stute melken?“
Wie bereits erwähnt erreichen wir das wunderbare Kirgistan von China aus über den Torugart Pass durch Schlamm und Schneegestöber, was die einen zum Erschauern bringt, bei anderen wiederum für wahre Begeisterungsstürme sorgt.

Die Erklärung, wo der „eine“ offiziell offizielle Einreisecheckpoint auf kirgisischer Seite nun genau liegt, müssen wir schuldig bleiben. So ganz exakt können die Antwort auf diese Frage auch weder Reiseführer, Landkarten, das Internet, oder die Behörden geben – es gibt eben Dinge, die bleiben ein Mysterium.
Nach wenigen Kilometern Niemandsland muss unsere Fahrzeugkarawane jedoch bereits ein paar Minuten vor`m Stacheldraht verweilen, bevor wir nacheinander auf den Vorhof eines einsam in der Landschaft prangenden, grauen Gebäudes gebeten werden. Nur die Fahrer werden daraufhin von grob gesichtigen Militärs hinein begleitet (Oje, was kommt jetzt wieder?) und bekommen recht zügig und ohne die Frage nach einem „kleinen Geschenk“ die erhofften Stempel in die Pässe eingetragen. Mit dem Kommentar: „Guten Tag!“ und meiner Antwort in Gedanken („und Tschüss“) geht die Fahrt durch frisch gefallenen Schnee weiter. Glücklicherweise kümmert sich im Anschluss auch keiner gewissenhaft um unseren Verbleib (normalerweise ist es innerhalb eines bestimmten Radius ums Grenzgebiet nicht gestattet zu campieren, weswegen das Thema an dieser Stelle überhaupt so genau zur Erwähnung kommt) und es fällt schon nach einigen weiteren, feucht fröhlichen Reifenumdrehungen die demokratische Gruppenentscheidung den ersten viertel Tag Neuland auf 3500 Metern bei Schneemann/-frau bauen, blauen Lippen und knatternden Heizungen zu begehen.

Das Rundum-Bergpanorama des darauffolgenden knackig kalten Morgens ist atemberaubend schön und leitet eine Zeit der schweren Entscheidungen im Bezug auf den „besten“ Stellplatz ein. Es ist überall einfach herrlich!

Nur der anhaltende erhöhte Luftdruck hier oben und eine üble Rüttelstrecke machen mir im derzeitigen Schwangerschaftsstadium leicht zu schaffen. Das bedeutet nämlich ständig aufs Klo rennen zu müssen und den Bauch während der Fahrt schön fest zu halten (was eigentlich auch keinen allzu großen Unterschied macht) – mehr als 2 Stunden auf der Piste am Tag sind eigentlich nicht zu bewältigen.
Aber was soll`s, ein bisschen Zeit verbleibt und der nächste sensationelle Flecken Erde, an dem man sowieso nicht einfach vorüber ziehen will, bietet sich andauernd.

Wird man dann auch noch vom Nachbarn Abdul Rashid über der Straße in die Familienjurte zu frischem Joghurt und dampfenden Teigfladen eingeladen – inklusive Eselstransport, fällt die Entscheidung schwer, am nächsten Tag überhaupt aufzubrechen.





Und dann jagt ein Naturschauspiel, wie wir bereits schon einmal erleben durften, das nächste: Grunzende Yakherden, wagemutige Reitkünstler, Leben in und um Jurten, glänzende Pferdeleiber, sprudelnde Bäche, Hügel und Berge bezogen mit saftig grünen Samtdecken; Abenteuer, Freiheit…und eine Sache, die mir das letzte Mal durch die Lappen gegangen war. Die kommenden Wochen werde ich eine Einladung zum Stuten melken ganz sicher nicht mehr ausschlagen!





Durchs Murmeltierland geht’s die ersten Tage gemächlich weiter Richtung Naryn und anschließend in die Hauptstadt, wo wir fast spielend zum einen die kasachischen Visa, zum anderen nähere Informationen zum beabsichtigten russischen Transit erhalten.
Beinahe muss man sich fragen, ob hier im Südosten des Landes eine mittelschwere Murmeltierplage herrscht, bei all den lustig auf und ab hüpfenden biberähnlichen Hinterteilen, die sich rundherum davon, oder zum Schaffen machen. Ihre Warnsinfonien erfüllen die klare Luft und bei dem Anblick bleibt kein Auge trocken.
Nachdem der Besuch Bishkeks, wo wir noch einmal auf fast alle Ex-Konvoijoten auf einem altbekannten Areal gegenüber der kasachischen Botschaft stoßen, erfolgreich verlaufen ist, machen wir uns gemeinsam mit „jusalulu“ und dem Hintergedanken die kommenden beiden Wochen vollends auszukosten, die voraussichtlich auf längere Zeit gleichzeitig die letzten weniger strapaziösen sein werden, ein letztes Mal nach Osten auf.

In unseren Vorstellungen sehen wir uns schon plantschend im Yssyk Köl liegen – doch weit gefehlt, das war einmal. Die tropischen Klimate haften uns anscheinend so durchdringend an, dass wir schon vom Hinsehen laufende Nasen bekommen und mein geliebtes Wäsche per Hand waschen zur echten Qual wird 😉 Vielleicht ist die „Badesaison“ ca. einen Monat später im Jahr aber auch schon beendet…
Egal, ein erneuter Besuch lohnt sich schon aus nostalgischen Gründen allemal und ein besserer Aussichtsplatz für anfallende Reparaturen findet sich ebenfalls nicht so leicht…obwohl…


Auf dem Weg Richtung Westen, der uns am Ende des zweiten Besuchs von Kirgistan zum Grenzübergang nach Kasachstan führen soll, ist es dann irgendwann tatsächlich soweit: Wolfgang lenkt ein und biegt von der Hauptpiste auf einen Feldweg ab, der uns in Schräglage und über stolze Gefälle geradewegs zu einer großen „Pferdeweide“ (eingezäunt ist hier nichts!) mit Jurte, Bauwagen und anmutiger Kirgisen-Familie führt. (Noch befinden wir uns in einem Gebiet, in dem die Neugierde und Gastfreundschaft der Menschen gegenüber aufkeimendem Argwohn gegenüber Fremden und Verlustangst erhaben sind und man sich ohne Bedenken „unterstellen“ kann.)

Es nieselt, ist kühl und eigentlich habe ich heute überhaupt keine Lust vor die Türe zu gehen, doch wann ergeben sich im Leben schon solche Chancen. Schon hat der Clan-Chef sein Ok gegeben, zum Schlafen stehen bleiben zu dürfen, nähern sich die Jurtenkinder mit einem Eselchen für die Lasterkinder, halten wir ein Glas guuuute Stutenmilch in Händen und palavern mit Händen und Füßen.


Es dauert nicht lange und wir dürfen bei frischem Joghurt, Weißbrot und Milchtee unseren ersten einheimischen Bauwagen von innen bewundern und nur die Älteste im Bunde, die griesgrämige Mutter der Ehefrau unseres Gönners beobachtet jede unserer Bewegungen aufs Strengste. „Trinkt den Milchtee aus, bevor er kalt wird und redet nicht so viel!“ (Übersetzung aus Zeichensprache an Sameena und mich gerichtet)


Schneller als erhofft stellt Wolfgang dann auch schon fest: „Diana würde gern eine Stute melken!“ Äh, vielleicht doch morgen…Doch schon ist unser Gönner freudestrahlend von seinem Platz am Boden auf und in seine Stiefel gesprungen, hat seinen Töchtern einige Anweisungen erteilt und steht voller Tatendrang draußen im Freien.
Hier muss erwähnt werden, dass ich vor Urzeiten ziemlich viel Respekt vor jenen sensiblen Geschöpfen hatte und aus diesem Grund mein Berufswunsch als Teenager nicht eben Dressurreiterin gewesen ist…
Trotzdem befinde ich mich an dieser Stelle also wie angewiesen am Boden kniend neben der Stute, beobachte wie eine der Töchter dem zu melkenden Objekt fachmännisch mit der rechten Hand von hinten durch die Beine fasst und diese um die rechte ca. 3 cm lange Zitze legt. Die linke, ebenso große Zitze wird mit den Fingern der linken Hand von der Seite her umgriffen. Gleichzeitig muss ein leerer Plastikeimer auf dem linken Knie unter dem Ganzen balanciert werden, um das kostbare Gut aufzufangen. Bei dem nun folgenden, gleichmäßigen Milchgewinnungs-vorgang schafft das Mädchen von ca. 15 Jahren es sogar noch zuckersüß in die Kamera zu lächeln. Bewunderung. Mann o Mann, ob mir das auch gelingt?


Also: Vor dem linken Hinterhuf der Stute, die bereits leicht nervös ihre Nüstern in den Wind hält, niederknien. Sofortige Erkenntnis: Der Babybauch befindet sich nun direkt vor dem Hinterlauf des Tieres. Weitermachen. Den rechten Arm von hinten am Schweif vorbei durch die zusammengekniffenen Beine des Pferdes zu deren rechter 3cm Zitze führen, dabei den Eimer vor meinem Bauch und unter dem Pferdeeuter auf meinem linken, aufgestellten Knie balancieren. Irgendwo hängt`s, ich bekomme den Eimer nicht in Position, gucke die ganze Zeit statt in die Linse an mir herunter und benötige zu viel Zeit zum durch die Hinterbeine fingern. Ein Wiehern, die Ohren legen sich nach hinten, ein Tritt zur Seite…und Abbruch! Alles lacht, bloß die Kirgisen nicht. Wer weiß, ob ihnen überhaupt klar war, dass ich überhaupt nicht kann, um was ich gebeten hatte. Es hätte ja auch durchaus möglich sein können, dass ich so viele Kilometer von Daheim und meiner Herde dort entfernt, einfach mal wieder Lust auf selbst gemolkene Pferdemilch gehabt hätte…


…eine kleine Zugabe:





Spasiba!
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