MORPHEUSREISEN

auf der straße des lebens

Kategorie-Archiv: 2012/06 Kirgistan II

Kirgistan

„Dürfte ich bitte Ihre Stute melken?“

Wie bereits erwähnt erreichen wir das wunderbare Kirgistan von China aus über den Torugart Pass durch Schlamm und Schneegestöber, was die einen zum Erschauern bringt, bei anderen wiederum für wahre Begeisterungsstürme sorgt.

Schneefrau auf dem Torugart Pass

Die Erklärung, wo der „eine“ offiziell offizielle Einreisecheckpoint auf kirgisischer Seite nun genau liegt, müssen wir schuldig bleiben. So ganz exakt können die Antwort auf diese Frage auch weder Reiseführer, Landkarten, das Internet, oder die Behörden geben – es gibt eben Dinge, die bleiben ein Mysterium.

Nach wenigen Kilometern Niemandsland muss unsere Fahrzeugkarawane jedoch bereits  ein paar Minuten vor`m Stacheldraht verweilen, bevor wir nacheinander auf den Vorhof eines einsam in der Landschaft prangenden, grauen Gebäudes gebeten werden. Nur die Fahrer werden daraufhin von grob gesichtigen Militärs hinein begleitet (Oje, was kommt jetzt wieder?) und bekommen recht zügig und ohne die Frage nach einem „kleinen Geschenk“ die erhofften Stempel in die Pässe eingetragen. Mit dem Kommentar: „Guten Tag!“ und meiner Antwort in Gedanken („und Tschüss“) geht die Fahrt durch frisch gefallenen Schnee weiter. Glücklicherweise kümmert sich im Anschluss auch keiner gewissenhaft um unseren Verbleib (normalerweise ist es innerhalb eines bestimmten Radius ums Grenzgebiet nicht gestattet zu campieren, weswegen das Thema an dieser Stelle überhaupt so genau zur Erwähnung kommt) und es fällt schon nach einigen weiteren, feucht fröhlichen Reifenumdrehungen die demokratische Gruppenentscheidung den ersten viertel Tag Neuland auf 3500 Metern bei Schneemann/-frau bauen, blauen Lippen und knatternden Heizungen zu begehen.

Übernachtungsplatz Torugart Pass

Das Rundum-Bergpanorama des darauffolgenden knackig kalten Morgens ist atemberaubend schön und leitet eine Zeit der schweren Entscheidungen im Bezug auf den „besten“ Stellplatz ein. Es ist überall einfach herrlich!

atemberaubende Aussicht

Nur der anhaltende erhöhte Luftdruck hier oben und eine üble Rüttelstrecke machen mir im derzeitigen Schwangerschaftsstadium leicht zu schaffen. Das bedeutet nämlich ständig aufs Klo rennen zu müssen und den Bauch während der Fahrt schön fest zu halten (was eigentlich auch keinen allzu großen Unterschied macht) – mehr als 2 Stunden auf der Piste am Tag sind eigentlich nicht zu bewältigen.

Aber was soll`s, ein bisschen Zeit verbleibt und der nächste sensationelle Flecken Erde, an dem man sowieso nicht einfach vorüber ziehen will, bietet sich andauernd.

Rüttelpiste

Wird man dann auch noch vom Nachbarn Abdul Rashid über der Straße in die Familienjurte zu frischem Joghurt und dampfenden Teigfladen eingeladen – inklusive Eselstransport, fällt die Entscheidung schwer, am nächsten Tag überhaupt aufzubrechen.

mit dem Esel zur Jurte

kirgisische Jurte

Blick aus Jurte

Einladung zum Joghurt essen

Küche, Wohn- und Schlafzimmer

Und dann jagt ein Naturschauspiel, wie wir bereits schon einmal erleben durften, das nächste: Grunzende Yakherden, wagemutige Reitkünstler, Leben in und um Jurten, glänzende Pferdeleiber, sprudelnde Bäche, Hügel und Berge bezogen mit saftig grünen Samtdecken; Abenteuer, Freiheit…und eine Sache, die mir das letzte Mal durch die Lappen gegangen war. Die kommenden Wochen werde ich eine Einladung zum Stuten melken ganz sicher nicht mehr ausschlagen!

Yakhirte

Wildes Kirgistan

Jurtenaufbau

Traumplatz

nur für uns

Durchs Murmeltierland geht’s die ersten Tage gemächlich weiter Richtung Naryn und anschließend in die Hauptstadt, wo wir fast spielend zum einen die kasachischen Visa, zum anderen nähere Informationen zum beabsichtigten russischen Transit erhalten.

Beinahe muss man sich fragen, ob hier im Südosten des Landes eine mittelschwere Murmeltierplage herrscht, bei all den lustig auf und ab hüpfenden biberähnlichen Hinterteilen, die sich rundherum davon, oder zum Schaffen machen. Ihre Warnsinfonien erfüllen die klare Luft und bei dem Anblick bleibt kein Auge trocken.

Nachdem der Besuch Bishkeks, wo wir noch einmal auf fast alle Ex-Konvoijoten auf einem altbekannten Areal gegenüber der kasachischen Botschaft stoßen, erfolgreich verlaufen ist, machen wir uns gemeinsam mit „jusalulu“ und dem Hintergedanken die kommenden beiden Wochen vollends auszukosten, die voraussichtlich auf längere Zeit gleichzeitig die letzten weniger strapaziösen sein werden, ein letztes Mal nach Osten auf.

und immer wieder reparieren

In unseren Vorstellungen sehen wir uns schon plantschend im Yssyk Köl liegen – doch weit gefehlt, das war einmal. Die tropischen Klimate haften uns anscheinend so durchdringend an, dass wir schon vom Hinsehen laufende Nasen bekommen und mein geliebtes Wäsche per Hand waschen zur echten Qual wird 😉 Vielleicht ist die „Badesaison“ ca. einen Monat später im Jahr aber auch schon beendet…

Egal, ein erneuter Besuch lohnt sich schon aus nostalgischen Gründen allemal und ein besserer Aussichtsplatz für anfallende Reparaturen findet sich ebenfalls nicht so leicht…obwohl…

Nachts am Yssyk Köl

Reparaturen an den schönsten Plätzen

Auf dem Weg Richtung Westen, der uns am Ende des zweiten Besuchs von Kirgistan zum Grenzübergang nach Kasachstan führen soll, ist es dann irgendwann tatsächlich soweit: Wolfgang lenkt ein und biegt von der Hauptpiste auf einen Feldweg ab, der uns in Schräglage und über stolze Gefälle geradewegs zu einer großen „Pferdeweide“ (eingezäunt ist hier nichts!) mit Jurte, Bauwagen und anmutiger Kirgisen-Familie führt. (Noch befinden wir uns in einem Gebiet, in dem die Neugierde und Gastfreundschaft der Menschen gegenüber aufkeimendem Argwohn gegenüber Fremden und Verlustangst erhaben sind und man sich ohne Bedenken „unterstellen“ kann.)

zu Besuch bei Nomadenfamilie

Es nieselt, ist kühl und eigentlich habe ich heute überhaupt keine Lust vor die Türe zu gehen, doch wann ergeben sich im Leben schon solche Chancen. Schon hat der Clan-Chef sein Ok gegeben, zum Schlafen stehen bleiben zu dürfen, nähern sich die Jurtenkinder mit einem Eselchen für die Lasterkinder, halten wir ein Glas guuuute Stutenmilch in Händen und palavern mit Händen und Füßen.

Die Jurtenkinder

Hoppe Hoppe Reiter

Es dauert nicht lange und wir dürfen bei frischem Joghurt, Weißbrot und Milchtee unseren ersten einheimischen Bauwagen von innen bewundern und nur die Älteste im Bunde, die griesgrämige Mutter der Ehefrau unseres Gönners beobachtet jede unserer Bewegungen aufs Strengste. „Trinkt den Milchtee aus, bevor er kalt wird und redet nicht so viel!“ (Übersetzung aus Zeichensprache an Sameena und mich gerichtet)

Der Chef und seine Frau

Die Großmutter

Schneller als erhofft stellt Wolfgang dann auch schon fest: „Diana würde gern eine Stute melken!“ Äh, vielleicht doch morgen…Doch schon ist unser Gönner freudestrahlend von seinem Platz am Boden auf und in seine Stiefel gesprungen, hat seinen Töchtern einige Anweisungen erteilt und steht voller Tatendrang draußen im Freien.

Hier muss erwähnt werden, dass ich vor Urzeiten ziemlich viel Respekt vor jenen sensiblen Geschöpfen hatte und aus diesem Grund mein Berufswunsch als Teenager nicht eben Dressurreiterin gewesen ist…

Trotzdem befinde ich mich an dieser Stelle also wie angewiesen am Boden kniend neben der Stute, beobachte wie eine der Töchter dem zu melkenden Objekt fachmännisch mit der rechten Hand von hinten durch die Beine fasst und diese um die rechte ca. 3 cm lange Zitze legt. Die linke, ebenso große Zitze wird mit den Fingern der linken Hand von der Seite her umgriffen. Gleichzeitig  muss ein leerer Plastikeimer auf dem linken Knie unter dem Ganzen balanciert werden, um das kostbare Gut aufzufangen. Bei dem nun folgenden, gleichmäßigen Milchgewinnungs-vorgang schafft das Mädchen von ca. 15 Jahren es sogar noch zuckersüß in die Kamera zu lächeln. Bewunderung. Mann o Mann, ob mir das auch gelingt?

beim Stuten melken

beim Stuten melken

Also: Vor dem linken Hinterhuf der Stute, die bereits leicht nervös ihre Nüstern in den Wind hält, niederknien. Sofortige Erkenntnis: Der Babybauch befindet sich nun direkt vor dem Hinterlauf des Tieres. Weitermachen. Den rechten Arm von hinten am Schweif vorbei durch die zusammengekniffenen Beine des Pferdes zu deren rechter 3cm Zitze führen, dabei den Eimer vor meinem Bauch und unter dem Pferdeeuter auf meinem linken, aufgestellten Knie balancieren. Irgendwo hängt`s, ich bekomme den Eimer nicht in Position, gucke die ganze Zeit statt in die Linse an mir herunter und benötige zu viel Zeit zum durch die Hinterbeine fingern. Ein Wiehern, die Ohren legen sich nach hinten, ein Tritt zur Seite…und Abbruch! Alles lacht, bloß die Kirgisen nicht. Wer weiß, ob ihnen überhaupt klar war, dass ich überhaupt nicht kann, um was ich gebeten hatte. Es hätte ja auch durchaus möglich sein können, dass ich so viele Kilometer von Daheim und meiner Herde dort entfernt, einfach mal wieder Lust auf selbst gemolkene Pferdemilch gehabt hätte…

beim Stuten melken

beim Stuten melken

…eine kleine Zugabe:

Wer von euch will Erster sein?

nach dem Schlachten

Der Pferdeflüsterer

Nomadenfrauen im Gespräch

Abschiedsbild

Spasiba! 

Kirgistan

Die Blumenkinder

Zugegeben, so ein Kinder-Reise-Leben ist zwar meist unheimlich spannend und abwechslungsreich, aber manchmal auch ganz schön anstrengend.

Es gibt Tage, an denen die Fahrt über rumpelige Straßen, staubige Pisten und schlammigen Untergrund kein Ende nehmen will und wir alle furchtbar ins Schwitzen kommen.

Es gibt Tage, die ich in langweiligen Räumen, die Mama und Papa „Botschaften“ nennen ausharren muss – bevorzugt artig und „pschttt!“ leise, was bei dem dürftigen Angebot an Bewegungsfreiheit und Kinder-Unterhaltungsmöglichkeiten eigentlich unmöglich ist.

Oftmals heißt es warten, warten, warten, bis irgendwelche Fremde mit lustigen großen Hüten auf dem Kopf, die einfach in unser Haus kommen, ohne sich die Schuhe auszuziehen und in meinen Sachen stöbern wieder aussteigen und meinen, wir könnten weiterfahren.

Ständig soll man Leute, die man gar nicht kennt grüßen, vorzugsweise lächeln, sich fotografieren lassen, verabschieden und wenn`s dumm läuft, dann darf man nicht mal Süßigkeiten dafür annehmen.

Gaia Kirgistan

Auf der anderen Seite aber…

…bleibt zwischendurch genügend Zeit, um einfach so ganz und gar Kind zu sein!
Reise-Kinder-Combo

Die Welt zu entdecken,
Wie schmeckt eigentlich Schnee?
Yaks Kirgistan

zum Staunen,
Karawanserei Kirgistan

Ausprobieren,
frischer Joghurt in kirgisischer Jurte

Kennen lernen,
Jurtenkind
Eselreiten in Kirgistan

zum Lachen,
Gaia beim Wasser auffüllen
Gaia beim Wasser auffüllen

Lernen,
von der Wiese weg zum Schlachten und Verwerten
kirgisische Idylle
Nomad Lifestyle

Mut beweisen,
"Guck mal Mama, ein Kamel!"

Toben,
Unendlich frei!

Genießen,
Geschafft! Wir sind oben angekommen!
Abendrot in Kirgistan

Ausruhen,
Künstlerwerkstatt
am Isyk-Köl

Glücklich sein…
"Sierro, Sierro, Tondo..."

Blumen pflücken…
Meere aus Blumen
...und wir Mittendrin

…und an ganz besonderen Tagen warten morgens schon meine Freunde Guilio und Lusira vor der Haustüre auf mich und dann gehen wir gemeinsam auf  große FANTASIEREISE!
Hoch auf dem Pferdewagen
Der Ranger und seine Frauen beim Abendtanz in kirgisischer Steppe

See you soon! It was a great time!

Morpheus und Ganesh

Aktuelles!!!

30.05.2012, Bishkek, Kirgistan, Lebenszeichen

In einem vorübergehend letzten Aktuellen! aus Islamabad wollten wir vorab eigentlich darauf hinweisen, dass und weshalb es uns in den mittlerweile vergangenen Wochen schwer fallen würde, Lebenszeichen zu senden…da aber bereits dieser Versuch scheiterte, dürft ihr euch in den kommenden Wochen auf noch mehr Lesestoff zum Mitfiebern freuen!

Es waren ereignisreiche Wochen! Aufregende! Grenzwertige! Beglückend, wie bestürzend! Freie und beengte! Es gäbe Bücher zu füllen, doch bleibt wenig Zeit – so wie es momentan aussieht, sind die beschwerlichsten Hürden, die uns von der Heimkehr trennten erfolgreich genommen und schon in rund 2 Monaten wollen wir zurück in Europa sein. Das bedeutet weiterhin viel fahren, leben, noch mal genießen…weniger Muße in dieses kleine quadratische Fenster vor mir zu starren und nach den treffenden Worten zu suchen…doch ein wenig Zeit bleibt?

Kurzer Abriss:

Pakistan: das Ringen um Visa hinter Stacheldraht, die Bekanntschaft mit einer zu Unrecht einseitig stigmatisierten Kultur und warmherzigen Menschen, technische Herausforderungen und Hochleistungen auf der Fahrt über den berüchtigten Karakorum-Highway, Atem beraubend schöne Landschaften im Hunza-Gebiet,…

China: 6 Tage im Konvoi mit 7 Fahrzeugen durchs Uigurengebiet, Schneeballschlacht auf über 4700 Metern Höhe,…

Kirgistan: Ankunft bei –Graden im wunderbaren, aber rauen Kirgistan, erste Schneemänner, dünne Luft und Kugelbauch, Murmeltiergesang, Hufgetrappel und der Geschmack von frischem Joghurt,…

Es gab in den letzten Wochen nicht nur einen Moment, indem wir daran gezweifelt hatten, dass wir es über zurückgelegten Weg wieder bis hierher schaffen würden, geschweige den unser Heim wohlbehalten bliebe. Doch aller Widrigkeiten zum Trotz schließt sich nun der erste Kreis und es kommt Wehmut auf…und Zufriedenheit!

Ein bisschen stellt sich das Gefühl ein, diese Reise wäre an diesem Punkt bereits am Ende…Schmunzeln…Mann, was haben wir gesehen und erlebt!

Vor zwei Jahren noch erschien uns dieses Land so fremd, wild, irgendwo zwischen Mittelalter und den 80ern stecken geblieben – nun, fast schon modern, lebendig, fortschrittlich.

So ändert sich die Sicht der Dinge, man sich selbst, je nachdem, für welche Zufahrtsstraße man sich entscheidet…!

Willkommen zurück also im Zentrum Asiens!

Zuerst aber noch Indischen Flair und Pakistanische Abenteuer….

  

 

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