MORPHEUSREISEN

auf der straße des lebens

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Das Hunza – Valley

Alles oder Nichts

 Hier stehen wir also. Am Ufer des so genannten Attabad-Lake im Hunza Tal.

Fast surreal glitzert das türkisfarbene Wasser im Schein der Morgensonne zwischen den kahlen, staubig grauen Steilhängen zu unseren Füßen. Fast zu schön für einen Tag wie diesen.

Stolze 16 Kilometer Länge misst der See; 50 Meter gähnt der kühle Abgrund in die Tiefe; die schwer wiegende Hinterlassenschaft eines gewaltigen Erdrutsches vor gut zweieinhalb Jahren, der nicht nur den Karakorum Highway über diese Passage lahm legte, sondern für viele Menschen den Verlust all ihres Hab und Guts bedeutete. Ganze Dörfer liegen unter den Wassermassen begraben und noch immer leben viele der Betroffenen von damals in Behelfsunterkünften der UNHCR entlang des Flusslaufs unterhalb des „natürlichen“ Damms.

Durch kontrollierte Sprengungen, die uns eine unruhige Nacht bescheren, versucht man seither das Wasser nach und nach abfließen zu lassen und eine Flutwelle, die bei einem Einsturz des Walls das Flusstal hinunterrollen würde, zu vermeiden…die komplette Aufhebung der Barriere dürfte allerdings noch Jahre in Anspruch nehmen. Man erzählt sich, dass die chinesischen Baufahrzeuge, die gesichert hinter schwerem Stacheldraht in Bereitschaft stehen in naher Zukunft mit dem Bau eines Tunnels unter dem See beginnen sollen. Wie viel Wahrheit in solchen Gerüchten steckt, bzw. wie schnell ein solches Projekt in die Realität umgesetzt werden könnte, können wir nicht beurteilen.

Hier stehen wir also, im Jetzt, und können uns mit unseren eigenen Augen davon überzeugen, dass die Überwindung eben jenes Hindernisses für ein Schwergewicht wie Morpheus unter den gegebenen Umständen ein waghalsiges Unterfangen wird. 16 Kilometer löcheriger Teer für unsr`e 7,5 Tonnen – eventuell verbunden mit einigen Inspektionen, aber kein Problem. 16 Kilometer sandige Piste – in durchschnittlich einer Stunde zu bewältigen. 16 Kilometer in einer Höhe von 5000 Metern – etwas rußig, außer Puste, aber erfolgreich überwunden.

Die Überquerung von 16 Kilometern des Elements Wasser jedoch, ohne geeignetes Beförderungsmittel ist wohl eher vergleichbar mit dem Durchbrechen der Schallmauer per 100 PS.

Eigentlich hatten wir uns, als wir uns dem Konvoi durch Westchina anschlossen darauf verlassen, dass die Streckenverhältnisse geklärt wären; warum so viele Kilometer zurück legen, den teuren Trip durch China vorab begleichen, um dann so kurz vor dem Ziel wieder zurück fahren zu müssen? Und eigentlich war die Beförderung der leichteren, bzw. kleineren Fahrzeuge auch nicht das große Problem…

Wäre, wie selten im Leben, alles glatt gegangen, wären wir im Dörfchen Karimabad angekommen, hätten uns eine Genehmigung besorgt auf militärisches Gelände zu fahren und hätten dort einen halben Monatslohn berappt, um per schwimmender Militärplattform sorgenfrei ans andere Ufer geschippert zu werden.

Doch just da wir Karimabad erreichen befindet sich der Hauptantriebsmotor eben jener Plattform, die uns eigentlich sorgenfrei übersetzen sollte in der Werkstatt, weil er seit gut zwei Monaten defekt ist. Kaputt. Gut, aber so ein Motor könnte theoretisch schnell wieder repariert sein…Ja, doch momentan bestehe kein Bedarf an einem Beförderungsmittel für schwere Lasten und außerdem fehle die Genehmigung zur Reparatur…Gut, dann sucht man eben nach jenem, der die Genehmigung erteilen kann…der Besitzer des „Rakaposhi Campingplatzes“ hat sogar eine Nummer. Die Nummer seines Cousins, der zufälligerweise der Bürgermeister der Povinz ist. Leider ist der heute nicht anzutreffen, weil das Wochenende angebrochen und er zur Familie in die nächste Stadt gefahren ist…

Doch schon am nächsten Morgen ruft er zurück und die Lenker der schwergewichtigen Fahrzeuge, also Wolfgang, Luca und Harald werden zum Gespräch eingeladen. Es dauert einen halben Tag, bis sie nach Kaffee und Kuchen erfahren, dass der Bürgermeister hier eigentlich auch nicht weiter helfen kann und auch nicht wisse, wer der Entscheidungsbefugte im vorliegenden Fall sei, oder, wo er wohne.

Nach drei Tagen des unermüdlichen Ergründens, Drängens, nach Personen und Lösungen suchen, Diskutieren und Organisationsvorschlägen vorbringen der Männer schwinden Zuversicht und Verhandlungslust. Langsam lässt sich abschätzen, dass die Zeit, die man benötigen würde, um diese Angelegenheit offiziell zu regeln zu lange währen würde, um rechtzeitig zum vereinbarten Termin die Grenze zu erreichen. Außerdem steht in den nächsten Tagen eine größere Sprengung am Damm bevor (niemand weiß den genauen Zeitpunkt), die jeglichen Transport auf unbestimmte Zeit außer Betrieb setzen wird.

Letzten Endes bleibt nur die Wahl zwischen zwei verbleibenden Handlungsmöglichkeiten:

Entweder wagen wir den Versuch die allesamt tonnenschweren Fahrzeuge auf jeweils zwei miteinander vertaute Schifferboote zu verladen und darauf zu vertrauen, dass die Eigentümer mit ihrer Annahme, die Boote würden das schaffen, richtig liegen, oder umzudrehen.

Doch irgendwie gehört Umkehren und bereits Verdautes noch einmal zu (er-) leben nicht so ganz zu unseren Stärken (schon gar nicht, wenn es relativ mühsam war ein Ziel zu erreichen)…obwohl…Mein erster Kommentar nach Sicht der Fotos von den Booten: “Du spinnst wohl, da brauch ich gar nicht drüber nach zu denken, das machen wir auf  gar keinen Fall! Was sollen wir denn machen, wenn unser Haus absäuft, meine Nähmaschine, die Bücher,…? Wolfgang: “Es säuft nichts ab; Ich mach das schon; Vertrau mir halt! Es ist aber ein echtes technisches Abenteuer! Der Weg zur Verladungsstelle macht mir allerdings am meisten Sorgen!“…

Eigentlich ist man im 6. Monat nicht mehr ganz so abenteuerlustig, aber umkehren…und Gaia geht es auch wieder besser…

Manchmal tut es gut gedanklich los zu lassen, sich zu befreien! Was habe ich zu verlieren? Wir werden sicher nicht untergehen! Einen Schritt zurückgehen, Durchatmen, Anlauf nehmen und los! Alles, oder Nichts!

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