Dann machen wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Phänomen des „Asiatischen Gesichtsverlusts“. Als wir uns am 21.10. auf den Weg Richtung Lijang machen, werden Thomas und Sabine im Stadtverkehr erst hinten rechts und anschließend vorn links von einem Pkw gerammt. Wie der Kamikazepilot später wahrheitsgemäß beim Polizeiverhör aussagt, sei es zuerst unabsichtlich zur Kollision gekommen und anschließend habe er (in Begleitung dreier Mitfahrer) Thomas „stoppen“ wollen, als dieser den Aufprall nicht gleich bemerkte und weiterfuhr.
Wir müssen also den ganzen Tag auf der Polizeistation zur Klärung der Geschehnisse zubringen. Außerdem werden Pass- und Visakopien auch von uns anderen verlangt. Ich bin leicht angenervt, weil ich nicht verstehe, was das Ganze mit uns, als Nichtzeugen zu tun haben soll und befürchte schon, man wolle uns hier länger aufhalten (zwischendurch heisst es wir hätten uns unterwegs registrieren lassen müssen). Am Ende des Tages jedoch werden wir unter Polizeischutz aus der Stadt eskortiert, nachdem man sich für die Umstände entschuldigt und den Unfallverursacher wegen Störung der Deutsch-Chinesischen „Harmonien“ kurzzeitig einsperrt.


Bevor wir die historische Alstadt von Lijang erreichen, wegen der wir diesen Umweg überhaupt erst in Kauf genommen haben, liegen noch zwei Fahrtage vor uns und eine weitere Reparatur. Die letzten Kilometer auf den Serpentinen durch die Berge läuft eines von Mathias hinteren Lagern heiss. Ein zugemüllter Marktplatz wird kurzerhand zum Nachtlager auserkoren und die Männer brauchen den restlichen Tag und die halbe Nacht um das Problem in den Griff zu bekommen. In Sachen Reparaturen eines Mercedes Kurzhaubers ist Wolfgang zwar mittlerweile ziemlich bewandert, doch der Unimog stellt alle vor neues Improvisationsgeschick. Mathias steht ständig in telefonischem Kontakt mit seinem „Spezl“ in München und überrascht uns mit einem astreinen oberbayrischen Dialekt. Zum Abschluss des Tages zünden die Bewohner der Siedlung ein Raketenfeuer direkt neben Morpheus und dann noch eins und noch eins und ich habe die leichte Vermutung, dass sie das nicht tun um uns willkommen zu heissen. In Asien vertreibt man mit Feuerwerk die bösen Geister!



Vom 24. bis zum 27.10. nehmen wir uns eine „Auszeit“ auf einem netten, begrünten Parkplatz (ohne Bewunderer!) gleich neben den Mauern der Altstadt von Lijang. Wir bummeln über die alten Wege, entlang von Wassergräben, die sich durch den gesamten Komplex ziehen, bringen unseren Haushalt mal wieder in Ordnung und treffen persönlich auf Herrn Dong, unseren deutschsprachigen Kontaktmann bei der Reiseorganisation. Er führt gerade selbst eine Gruppe aus der Heimat und lädt uns zum Abendessen mit einheimischen Spezialitäten ein. Nebst allen möglichen Fleisch- und Gemüsesorten werden Ei mit Blumenknospen und Schweinedarm aufgetischt. Besonders bei Nacht, wenn man nicht sofort als ausländischer Urlauber entlarvt wird, kann man sich gemütlich durch das Lampignonlichtermeer treiben lassen.

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