MORPHEUSREISEN

auf der straße des lebens

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Kasachstan – Im Land der „Freien Reiter“

Fortsetzung:

Zwei Schranken weiter und eine Stunde später, es ist bereits dunkel, wird unsere kleine deutsche Reisegruppe vom kasachischen Zoll erst einmal gesondert auf einen Parkplatz navigiert. Ein freundlicher Grenzangestellter weist uns den weiteren Weg. Während sich ein Teil von uns mit aufgebrachten Großfamilien um einen Platz am Passschalter schon fast prügeln muss, werden die (europäischen) Mütter samt Kindern mit Vorzug behandelt (natürlich nur mit Hilfe des Verhandlungsgeschicks der zugehörigen Väter) und dürfen sich ihren Einreisestempel an der Fahrzeugführerkontrollstelle abholen.

Der anschließende Papierkrieg erstreckt sich über volle vier Stunden.

Gaia, die bei all dem Hin und Her nicht müde wird, tobt in ihrem Schlafanzug wie besessen bis Mitternacht laut schreiend durch das Zollgebäude. Da ich mich nicht entscheiden kann, welchen Rückweg ich wählen soll, (durch die wütende Menge, oder doch eher außen herum, vorbei an dem großen Schild „Zutritt für Mann, Frau und Kind verboten“) bleibt mir nichts anderes übrig, als sie im Zaum zu halten, während Wolfgang mit Hilfe eines „Aushilfs-Dolmetschers“ eine russische Deklaration ausfüllt. Irgendwann reißt mir der Geduldsfaden, ich packe das schreiende Bündel und gehe schnurstracks mit eisiger Miene außen herum zum Lkw. Ein Glück dass die Beamten sich kurz darauf mit „Pssst, baby is sleeping“ abfertigen lassen und die Zolldurchsuchung ausfällt. Gegen Zwei Uhr geht dieser ellenlange Tag dann in einer Seitenstraße für die Bewohner der fünf Reisemobile endlich seinem Ende entgegen.

Bereits zwei Tage später erreichen wir die einstige Hauptstadt Almaty.

Vom Parkplatz der Internationalen Universität von Almaty aus, können wir die folgenden Tage Einiges erledigen.

In der ehemaligen Hauptstadt lebt sich`s nicht gerade bescheiden. An nahezu jeder Straßenkreuzung werden protzige Limousinen verliehen, große Einkaufszentren und teure Boutiquen zieren das Stadtbild. Die jungen Leute hier stehen ihren westlichen Artgenossen in Sachen Mode in Nichts nach. Banken haben sich mit riesigen Glasbauten Denkmäler gesetzt und eine Skischanze am Rande dieser Metropole setzt dem Spektakel die Krone auf.

Nur Astana soll noch atemberaubender sein, hört man.

(Leider streikt die Digicam die ersten Tage in Kasachstan und die fotografische Dokumentation fehlt)

Der mongolische Konsul lässt uns nicht lange mit der Ausstellung unserer Visa warten. Termin einen Tag nach Vorsprache; Ausfüllen der Anträge (1 Blatt) vor Ort; am darauf folgenden Tag ist alles fertig und abholbereit. Sogar „double entry“, d.h. zweimalige Einreise a 30 Tage ohne Aufpreis! ist möglich. Kompetent! Nur die Kinder sollten wir beim Abholen der Pässe doch bitte „Zuhause“ lassen, nachdem sie in den Korridoren der Botschaft lautstark Verstecken gespielt hatten. Und da dachten wir immer die Mongolen wären da etwas freizügiger, wo sie doch laut diverser Literatur ihren Nachwuchs nicht erziehen. Was immer das auch heißen mag.

Es stellt sich heraus, dass wir uns trotz gegensätzlicher Behauptungen spätestens fünf Tage nach Einreise nach Kasachstan bei der örtlichen „immigration police“ registrieren lassen müssen. Das funktioniert relativ unproblematisch und kostet nicht viel.

Nachdem wir gezwungenermaßen den Standort wechseln, widmen wir uns in aller Ruhe dem Stadtbummel. Auf dem „green market“, im Herzen der Stadt kann man über jegliches Obst, Gemüse und andere Lebensmittel auch Handwerkszeug, Kleidung Küchenutensilien usw. erstehen. Wir flanieren zusammen mit Matthias durch den Panfilov Park, vorbei an der kunterbunten Zenkov Kathedrale, eines der wenigen Gebäude, das nach dem Erdbeben von 1911 erhalten geblieben ist und dem mächtigen Kriegerdenkmal, das einem Hochzeitspaar gerade als „romantischer“ Hintergrund dient. Im Musikinstrumentenmuseum kann man typisch kasachische, sowie andere traditionelle Instrumente aus aller Herren Länder begutachten und wenn man Glück hat (wie wir an diesem Tag) kommt man in den Genuss, einer Musikvirtuosin lauschen zu dürfen, die ihr Können auf Instrumenten wie der Maultrommel, der Tonflöte, oder der zweisaitigen Dombra darbietet.

Ein weiterer Höhepunkt an diesem Ort ist der „off road trip“ mit Daniel. Angezogen von Matthias Unimog, lädt der aufgeschlossene Autofanatiker ihn, Frank und uns zu einem Ausflug in seinem Geländewagen ins Malaya Almatinka Tal ein. Trotz einer beeindruckenden Eislaufbahn in 1700 Meter Höhe und allen sonstigen Raffinessen, die das Skifahrerherz höher schlagen lassen, scheiterte die Bewerbung der Stadt für die Olympischen Winterspiele 2014.

Die steinige Piste und der Fahrstil unseres Gastgebers treiben uns an diesem Tag den Schweiß auf die Stirn (Gaia klammert an mir wie ein Äffchen). Am Ziel angelangt haben wir dafür klare Sicht auf den „Chimbulakgletscher“, beste Luft zum Durchatmen und überraschenderweise zeigt sich auch noch ein Edelweiß.

Am 28. Juni lassen wir das Getümmel der Stadt wieder hinter uns und begeben uns auf direktem Weg an das erstgrößere Gewässer, den Qapsshaghay bögeni, um auch die letzten Feinstaubpartikel wieder los zu werden (angeblich ist Almaty eine der 10 am stärksten mit Schadstoffen belasteten Städte der Welt!).

Unser Ausflug ins Siebenstromland fällt eher kurz aus. Wir wollen eigentlich keinen allzu großen Umweg machen, brauchen jedoch ewig für einige Kilometer und finden dann doch keinen gemütlichen, schattigen Platz am „Ile“.  Macht auch nix, manchmal muss man eben einfach an Ort und Stelle stehen bleiben und sei es neben der Hauptstrecke. Wenn man Glück hat befindet sich in einiger Entfernung ein Brunnen zum Erkunden und Plantschen; dann sind auch durstige Tiere zum Beobachten nicht mehr weit. Somit ist das Kind zufrieden, und wo man so tolle Streifzüge machen kann, und wo trotz Straße so viel Ruhe ist, kommen auch wir noch zum Entspannen.

Am Abend des 30.07. werden wir Zeugen eines Raketenstarts, bzw. -flugs. Als Frank nach uns ruft und auf ein sich sonderbar bewegendes, einen langen Schweif verursachendes Flugobjekt in der Dunkelheit deutet, denken wir zuerst es handele sich dabei um ein unbekanntes Flugobjekt.

Über Taldyqorghan steuern wir im Sauseschritt das nächste Ziel, den Alakölsee in 500 Kilometern Entfernung an.

Fußball aus der Ersten Reihe

Drei Tage brauchen wir für die Etappe, mit kurzen Unterbrechungen, um Lebensmittel einzukaufen. Bei drei Fahrzeugen (Frank, Familie Praschel und wir) dauern solche Stopps immer ihre Zeit und auch die Straßen werden zunehmend schlechter. Die Landschaft verändert sich unwesentlich – so weit das Auge blickt: Steppe.

In diese unwirtlichen Weiten sollen einst tausende, deutschstämmige Kriegsgefangene deportiert und ihrem Schicksal überlassen worden sein. Dem guten Willen der Einheimischen hatten viele von ihnen ihr Überleben zu verdanken.

Die Temperaturen bewegen sich zu dieser Jahreszeit um die 40 Grad und wir sind froh, als wir schließlich das heiß ersehnte kühle Nass, den Alakölsee, dessen Mineraliengehalt und ph-Wert bei Hautkrankheiten wahre Wunder bewirken soll, erreichen

Schlammbad gegen Mückenstiche

Trotz abendlicher Mückenangriffe und Seitenwind können wir uns zwei Tage prima erholen, bis das Halbfinale vor der Tür steht und es gilt einen Platz mit Antennenempfang zu finden. Klappt zwar nicht, aber in einem Hotelzimmer mit gemütlicher Couch in Balyqshy hoffen Frank, Thomas, Sabine und Wolfgang vergeblich bis in die Morgenstunden auf den Sieg für Deutschland

Am 8. geht die Reise weiter gen Norden. An einem Imbiss treffen wir auf eine vierköpfige Motorradgruppe aus Neuseeland. Misha, Tom, Bob und Bob fahren über Vladivostok und Zentralasien in vier Monaten nach London. Die Jungs flippen völlig aus, als Wolfgang ihnen in eineinhalb Stunden unsere Geschichte erzählt und im Gegenzug bekommen wir nützliche Infos über die Mongolei, eine Straßenkarte und eine Einladung auf ihre „kleine“ Insel.

Über Ayaköz und Georgievka erreichen wir über eine katastrophale Straße, die uns den Temperaturfühler kostet (mit Gegenverkehr von links und rechts, wenn man Glück hat) schließlich Semey.

Seltsames Gefühl dort anzukommen, da wir bereits aus dem Reiseführer von über 400 Atomtests wissen, die die Russen westlich der Stadt von 1949 bis 1989 hier durchgeführt haben. Ein netter Platz unter hohen Bäumen am Fluss Ertis vor den Toren der Stadt, lässt uns unsere Bedenken ein wenig verdrängen.

Platte

Die drei Grazien

Am 13.Juli macht sich unser momentan drei Fahrzeuge umfassender Konvoi dann die letzten ca. 120 Kilometer Richtung Grenze auf.

Natürlich kommen wir dort an, als Gaia gerade eingeschlafen ist und ich weigere mich zu Beginn eine geschlagene halbe Stunde mit ihr aus dem Wagen zu steigen. (Anscheinend haben die Beamten das Gefühl sie müssten uns wie eine Herde in die Passabfertigungshalle treiben.) Als es aber darum geht sich auf Franks Lkw zu verewigen, verlieren die Zöllner dann die Etikette und streiten sich um die Marker.

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