Von Wiedersehensfreude, Urwalddieben, Blasrohrschießen, Unterwasserwelten und Nachtschwärmern

Wiedersehensfreude
Über ein Jahr ist es nun her, dass wir Wolfgangs Eltern, Edeltraud und Berthold das letzte Mal in die Arme geschlossen hatten und sie mit Gaia, ihrem ersten und einzigen Enkelkind, in Griechenlands heißen Thermen baden waren. Immer mehr und mehr Asphalt hat uns seither räumlich voneinander getrennt und auch regelmäßige Telefonate können natürlich kein Ersatz für den gegenseitigen Austausch mit Blickkontakt, für Spielen und Toben, für gemeinsam Erfahrungen sammeln und für all das, wofür man Omas und Opas eben einfach gern hat, sein.
Da Deutschland zur Abwechslung gerade durch ein sommerliches Hoch verwöhnt wird, wollen die beiden, nachdem sich die gläserne Schiebetüre des Flughafengebäudes öffnet und sie aus der klimatisierten Scheinwelt in die feucht-heiße Wirklichkeit entlassen werden, nicht sofort wieder kehrt machen, sondern lassen sich auf 14 Tage Ausnahmezustand in Malaysia ein.
Nachdem das Gepäck mit jeder Menge Überraschungen für uns in Morpheus Bauch verstaut ist, dauert es nicht lange bis Gaia ihre anfängliche Scheu vergisst und sie Oma und Opa sehr gewissenhaft in „ihr“ Reich einführt. Auf der Fahrt nach Malakka, unserer ersten Anlaufstelle, verliert der Reiz des Unbekannten an Bedeutung und anstatt aus dem Fenster zu staunen, werden Püppchen vorgestellt, Bücher gelesen, gepuzzelt und sich wohl gefühlt.

Malakka – Eine rote Stadt mit mittelalterlicher Kanalisation
Schnell wird in der ca. 80 Kilometer vom Flughafen entfernten Stadt, mit reicher Geschichte ein günstiges Zimmer gefunden und noch am selben Abend begeben wir uns auf kulinarische Entdeckungsreise. In einer der zahlreichen Nonya-Küchen, (das Wort Nonya bedeutet in der Sprache der Peranakan, den Nachkommen chinesischer Einwanderer „Frau“) wagt Edeltraud den Pilotversuch und bestellt zu allgemeinem Erstaunen Froschschenkel!
„…ein bisschen wie Hühnchen“.

Den folgenden Tag widmen wir der Besichtigung des historischen Altstadtkerns.
Bedingt durch ihre Lage an der Straße von Malakka, einer der wichtigsten Seehandelsrouten weltweit, hat sich an der Westküste Malaysias eine einzigartige, multikulturelle Gesellschaft entwickelt. Durch das Zusammenwirken der jeweils spezifischen Lebens- und Bauweisen von Chinesen, Indern, Engländern,… konnten altbewährte Traditionen bestehen, aber auch neue Identifikationsmerkmale entstanden. Nur die überirdisch verlaufenden Abwasserkanäle scheinen noch aus dem tiefsten Mittelalter zu stammen…






„Die Urwalddiebe“ (Zitat Lorenz)
Auf dem Weg von West nach Ost, der an Milliarden von Ölpalmen vorbei führt, übernachten wir im Naherholungsgebiet von Keluang, wo Wanderwege vorbei an Frischwasserquellen und über Hängebrücken durch den Wald auf einen Bergkamm führen.

Dieses Angebot scheinen die Anwohner chinesischer Abstammung sehr ernst zu nehmen, denn schon am nächsten Morgen weckt uns statt des Hahnenschreis noch vor Sonnenaufgang ein gellender Ausruf, der eine Masse von Menschen dazu animieren soll, sich für den bevorstehenden Aufstieg mittels Gymnastik aufzuwärmen. Erstaunlich, vom Kleinkind bis zum Greis ist der Lkw umgeben von übermotivierten, gut gelaunten Frühaufstehern, die Synchronsport betreiben und wir kriegen noch nicht mal die Lieder bewegt. Ganz zu schweigen von Gaia, die trotz der Geräuschkulisse nicht mal mit der Wimper zuckt…

Nachdem wir die Einladung zur Teilnahme dankend ablehnen und unser Blut lieber durch eine Tasse wohlschmeckenden, deutschen Kaffee in Wallung bringen, setzen wir die Fahrt Richtung Mersing, an der Ostküste fort.
Die eintönige Plantagenlandschaft wechselt sich nur gelegentlich und kurzzeitig mit Wald ab und immer wieder kommen uns Mercedes Benz Kurzhauber entgegen, die schwer beladen mit dicken, alten Baumstämmen sind. Irgendwo scheint es also doch noch Urwald zum Roden zu geben (Was für ein Glück). Wären wir jetzt Deutsche und nicht Weltenbürger würden wir uns fast ein bisschen schämen – hier helfen Fahrzeuge deutschen Fabrikats dabei den Regenwald abzuholzen und am anderen Ende der Welt leisten deutsche Motorsägen ganze Arbeit…obwohl, warum sollte man hier und dort auf Qualität verzichten?!

Tioman – Unterwasserwelten
Am 14.Juni erreichen wir Air Papan, einen kleinen, verschlafenen Ferienort, am Südchinesischen Meer gelegen. Bevor wir auf ein Schnellboot umsteigen, das von Mersing aus die Insel Tioman anläuft, gönnen wir uns noch eine kurze Verschnaufpause, lauschen der Musik der Wellen und des Dschungels und lassen das Ambiente rund um die Hütten der Fischer und Kokosnussbauern auf uns wirken.


Die Überfahrt auf das ca. 50 Kilometer vom Festland entfernte Eiland 3 Tage später, dauert ganze 3 Stunden trotz Turbogangs und ich bin nicht die Einzige die leichenblass und sprachlos auf den „äußeren Rängen“ sitzt, um die schöne Aussicht zu genießen.
Erst an der letzten Haltestelle, der Salang-Bucht dürfen wir den schnittigen Kahn endlich verlassen und trauen unseren Augen kaum, als wir einen Blick über das Geländer des Piers werfen.



Nicht nur dass das uns umgebende Nass glasklar ist und in den leuchtensten Türkis- und Blautönen funkelt, in denen selbst die Sonnenstrahlen zu baden scheinen, nein, direkt vor unseren Zehenspitzen erblühen Korallen verschiedenster Formen und Farben, bunte Fischschwärme ziehen ihre Bahnen durch das Geäst und sogar ein kleiner Kalamaris, schwebt wie ein Wesen von einem anderen Stern an uns vorüber. Kaum zu glauben, wenn man den touristischen Andrang vor den Tauchschulen und Schnorchelverleihbuden am Strand betrachtet. Anscheinend haben sich Über- und Unterwasserbewohner hier miteinander arrangiert.

Zwar herrscht momentan wegen allgemeiner Ferienzeit reger Betrieb, doch auf den Wegen zwischen den nett angelegten Unterkünften und in den Lokalen mit Wohlfühlgarantie versickert der Menschenstrom und beim Smalltalk mit den Einheimischen stellt sich ganz schnell insulanische Entspanntheit ein.



Natürlich wollen auch wir es uns bei einer solch einmaligen Gelegenheit, inklusive vertrauensvoller Kinderbetreuung nicht nehmen lassen, der Verlockung der Tiefe nachzugeben und stürzen uns in der Nähe der „Pulai Tulai“, der Koralleninsel mit Schwimmweste, Taucherbrille und Schnorchel in die Fluten.



Nie hätte ich gedacht, dass das Eintauchen in diese andere Welt mit all ihren schillernden Schätzen, ihren beeindruckenden Bewohnern und das Gefühl des Schwebens so berauschend sein könnten, dass uralte, uns innewohnende Ängste vor den „Monstern“ aus dem Ozean in Vergessenheit geraten würden. …und wir waren „bloß“ schnorcheln!
Tasik Chini – Blasrohrschießen für Anfänger
Doch schon ist der wunderbare Ausflug wieder Geschichte, obwohl uns der Zauber dieses Augenblicks wohl noch eine Weile begleiten wird und wir machen uns gemeinsam mit Berthold und Edeltraud wieder auf die Fahrt zum Festland und anschließend in Richtung Kuantan weiter nördlich.
Mittlerweile gehören unsere Besucher ganz selbstverständlich zu Gaias Kosmos und sie weigert sich entschieden mit uns im Führerhaus Platz zu nehmen, wenn sie doch hinten bei Oma und Opa mitfahren kann, die nicht abgelenkt sind vom Karten lesen, oder lenken, sondern ihre ganze Aufmerksamkeit ausschließlich ihr widmen. Daran, dass wir mal wieder nur zu zweit sind, müssen wir uns erst einmal gewöhnen und als sie dann auch noch meint, sie würde lieber bei den beiden im Hotelzimmer übernachten, muss ich glatt mal tief durchatmen…wer hätte das gedacht, doch nicht entfremdet, aber bei so viel Engagement auch kein Wunder!
Vor unserer Ankunft am Chini-See legen wir noch einen kleinen Stopp zur Mangrovenwaldexkursion ein und treffen in Pekan wieder auf unseren Reisegefährten Mathias. Die Landschaft wird weiterhin von Palmwedeln dominiert, aus denen ab und an ein Affe blinzelt und erst kurz vor dem nächsten Ziel ändern sich die Ansichten.


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