MORPHEUSREISEN

auf der straße des lebens

Kategorie-Archiv: 2011/08 Malaysia II

Mr. Singh und Mr. Singh

Vorbei am „Sumpfloch des Schreckens“ (laut Acebe, Poojahs 6 jährigem Neffen, der natürlich im Laster mitfährt) und einer riesigen Freilauf-Gänse-Aufzuchtanlage führt ein schmaler Feldweg zum Anwesen von Mr. Singh und Mr. Singh, Poojahs Vater und seinem Bruder.

Die beiden „Punjabis“ leben eigentlich schon immer hier, zwischen Jackfruitbäumen und Kokosnusspalmen, zusammen mit Kühen, Ziegen, Hühnern und Hunden. Poojah erinnert sich daran, dass es, als sie noch hier lebte keinen Strom gab und man das Wasser aus einem tiefen Brunnen im Hof bis in die Stube schleppen musste (so wie es auch heute noch ist!), aber auch daran, dass sie an diesem Ort glücklich war.

Jackfruit

In den vier Zimmern des einfachen, einstöckigen Hauses lebten einmal 3 Generationen gemeinsam unter einem Dach und die verblichenen Schwarz-Weiß-Fotografien an den Wänden, auf denen man kleine Mädchen in weißen Kleidern mit großen Haarschleifen, Hochzeitspaare und Familienmitglieder vor dem Goldenen Tempel in der Punjab Region in Indien bewundern kann, erzählen die Geschichte dieser Tage und fast kann man das Lachen der Kinder und das Flüstern der Erwachsenen hören…

Blick in die Stube

Geschlafen wurde und wird in traditionell indischen Betten, aus einem robusten Holzgestell gefertigt, in das die Liegefläche mittels eines Naturseils eingeknüpft ist. In der kleinen Küche stehen ein großer Tisch, eine Schrankwand, in der man die Gewürze untergebracht hat, ein 2-Flammen-Gasherd und überall verteilt Töpfe, Pfannen, Teller und Gläser. Man kommt nicht drum herum – hier muss man sich wohl fühlen!

Ein kleiner, älterer, gepflegter Herr in kurzer Hose und Hemd (Mr. Singh) nimmt uns in Empfang und weist uns einen Stellplatz vor den Kuhställen zu (den einzig möglichen) und meint dann beim Anblick des Geästs auf den Fahrzeugen voller Begeisterung: „Wow, ihr habt beim Herfahren ja den halben Dschungel abgerissen!“

Nachdem wir uns vorgestellt und Morpheus in Schlaf-Position (gerade) gebracht haben, können die Vorbereitungen für das heute geplante Barbecue auch schon beginnen (natürlich machen wir uns zuallererst auf die Suche nach sämtlichen Tieren…).

Ziegenstall

Poojah verschwindet in der Küche, um die hungrigen Mägen im Voraus zu füllen, Billy widmet sich den frisch geschlachteten Hühnern, Wolfgang ist zusammen mit Mr. Singh für das Feuer verantwortlich und mir bleibt die Zubereitung des Kartoffelpürees überlassen (nach Anleitung des Kochs Billy).

Freiluftküche

Am Grillplatz

Unterdessen spießt Mr. Singh bei den Ställen vertrocknete Kokosnüsse auf und spaltet sie, um nachts kleine Feuer damit zu entzünden. Die Rauchentwicklung vertreibt die Mücken und so finden auch die Tiere ihre Ruhe. Von Anfang an wird frischer Palmwein vermischt mit Bier ausgeschenkt, der bei der Hitze   zügig zu Kopfe steigt.

Mr. Sing beim Kokosnuss spalten

Gaia kann sich an diesem Tag nur bedingt von meinem Rockzipfel lösen, weshalb sich mein Einsatz in der Küche etwas verzögert und wir erst einmal gemeinsam auf der Kindermatte bei Acebe und seiner Kusine landen. Manchmal geht Annäherung eben besser mit tatkräftiger Unterstützung, obwohl ich dann meistens im Kinderkreis hängen bleibe.

Spielenachmittag

Aber heute nicht, denn langsam, aber sicher zieht mich der feine Geruch nach köchelnden Linsen, brutzelndem Curry und brodelnder Suppe in Richtung Küche, wo Poojahs zufällig angereiste Tante am Zaubern ist und schon nach gehacktem Ingwer, Zwiebeln und Knoblauch verlangt. Als Wolfgang wieder beide Hände frei hat, kann auch ich endlich mit anpacken, denn wann hat man schon die Gelegenheit einer waschechten Göttin der Kochkunst auf die Finger zu schauen?!

Die Göttin der indischen Küche

Zwischendurch schleppt Mr. Singh eimerweise Wasser vor den Eingang der Küche, wo die „Tante“ sich lächelnd auf einen Schemel setzt und ihrer Aussage nach ebenfalls auf traditionelle Art, das dreckige Geschirr spült – nicht direkt im Bottich, sondern mittels Schüsselchen daneben.

Irgendwann neigt sich das Gemeinschaftsprojekt dem Ende entgegen und jeder sucht sich einen gemütlichen Platz zum Essen auf Bett, Couch, oder Stuhl und Mr. Chong findet die passenden Worte für den Moment: „Wie wunderbar, dass wir heute gemeinsam an diesem Tisch sitzen, um miteinander zu speisen!“ Da bleibt uns nichts mehr hinzuzufügen…

Good bye

Aus Gastfreundschaft wird Freundschaft

Billy, Pooja, Mr. Chong, Jamal und die ganze Familie

Eine letzte Schönheitskorrektur an unserem „Rollenden Zuhause“ steht noch aus, weshalb es uns Anfang August in die geschäftige Stadt Ipoh, im Norden Malaysias verschlägt.

Mr. Tang, den wir bereits aus den Camerons kannten, stellt uns seinen Freunden mit der Drehbank vor, bei denen Wolfgang nach dem Erneuern der Bremsbacken auch die beiden hinteren Bremstrommeln überholen lassen will.

Er liegt schon ölverschmiert im „Graumann“ unter dem Lkw und will gerade zum Schrauben beginnen, als Billy, Pooja und Mr. Chong sich vorstellen und uns fragen, ob sie uns irgendwie behilflich sein könnten und ob wir nicht lieber auf ihren Recyclinghof nebenan umziehen wollen.

Die drei sind uns von Anfang an sympathisch und wir willigen ein.

Mr. Chong

Die Großzügigkeit und Freundlichkeit, die wir die darauf folgenden Tage erfahren, hatten wir auf dieser Reise, in diesem Ausmaß nur einmal so erfahren – Viele liebe Grüße an Emre nach Adana!

Gemeinsam mit Mathias Unimog passen wir gerade so vor die Eingangstüre des Büros und kaum sind wir ausgestiegen, um die neue Umgebung zu erkunden, wird auch schon die dreckige Wäsche weggebracht, wir bekommen feinstes indisches 5-Finger-Food spendiert, werden an Strom und Wasser angeschlossen und dürfen uns nach Belieben im kühlen Haus aufhalten und dort auch duschen.

Tag für Tag erfahren wir nun mehr über unsere Gastgeber, die uns wie selbstverständlich bei sich aufnehmen und die nicht nur neugierig darauf warten, dass wir berichten, sondern die auch ehrlich von sich erzählen.

Pooja zu Besuch

Billy als Beifahrer

Tag für Tag beobachten wir die verschiedensten Menschen, die mit Fahrrad, Moped, oder Laster vorfahren, um Altpapier, Altmetall, Plastikflaschen, Dosen, usw. hier gegen eine finanzielle Entschädigung abzugeben. Zahlreiche Menschen – zahlreiche Schicksale, die sich an diesem Ort auf irgendwie wundersame Weise miteinander vermischen. Für einige von ihnen, meist die Älteren, bedeutet ihr Fahrrad die Existenzgrundlage – Rente gibt es entweder keine, oder sie reicht nicht aus. Andere wiederum versuchen in einer hart umkämpften Branche Fuß zu fassen (Wir hatten mittlerweile schon befürchtet, dass Recycling nur in Europa und China bekannt ist) und wieder andere machen „einfach“ nur ihre Arbeit – heute hier morgen dort. Und dann sind da noch wir, zwar vor Ort, aber doch nicht greifbar und es ist uns voll und ganz bewusst, dass der Status des Beobachters ein vergängliches Privileg ist.

Recycling Hof

Wir fühlen uns wohl hier, genießen die Zeit – es herrscht eine familiäre Atmosphäre, auch wenn sie einen Blick hinter die Kulissen Malaysias zulässt!

Am kühlen Fluss

„It`s good to know that we have friends on the other side of earth! Greetings to everyone of you, take care and thanks for all!“

Recycling-crew

Altes Eisen vergeht nicht – MB Kurzhauber

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Startklar!

Nach 2 Wochen Abwesenheit sind wir froh, als wir unser Reisemobil  wieder unversehrt auf dem Parkplatz mitten in der Hauptstadt vorfinden.

„Home sweet home“- umgehend beziehen wir den alten Platz in einer „kuscheligen“ Ecke, ganz weit hinten, lüften durch, schaffen Ordnung und entspannen unter`m Sonnendach! Gaia hat ihren Püppchen und Stofftieren jede Menge Neues zu berichten und bei uns stehen die Planungen für die Weiterreise an.

Noch eine Woche Großstadtgetöse und Baustellenstaub in den Lungen stehen uns bevor, dann sind wir für`s erste wieder „frei“. (Naja, und verglichen mit indonesischen Stadt-Zuständen ist es hier nahezu paradiesisch.)

Mitten im Großstadt Tschungel

Gleich um die Ecke ist die Thailändische Botschaft, wo wir uns neue Visa beschaffen müssen, die Kommunikation mit dem chinesischem Reiseunternehmen (zwingend bei Durchreise mit eigenem Fahrzeug!) läuft wieder an (spätestens 2 Monate vor Einreise Auftragsbestätigung), es muss recherchiert werden, ob eine Einreise nach Vietnam mit dem eigenen Fahrzeug überhaupt möglich ist, usw..

Neben der Organisation offizieller Angelegenheiten, müssen weitere Faktoren in die Planung einbezogen werden: Klima, Zeit und ungefähre Kosten beispielsweise. Außerdem dürfen wir bei unseren Überlegungen nicht vergessen, dass wir mit einem Kleinkind reisen…

Auch „Morpheus“ bedarf noch einiger Pflege für die nächsten 40 000 Kilometer, weswegen Wolfgang dem Ersatzteilehandel fast täglich einen Besuch abstattet. Endlich ist eine neue Motorhaube erschwinglich, der Motor selbst wird genauestens Inspiziert –  Einspritzdüsen und Luftfilter ausgewechselt. Irgendwann ist aber auch dieses Projekt abgeschlossen und nur die Suche nach einer neuen Hinterradachse bleibt erfolglos…

Spezialarbeiten

Dann naht der Tag des Abschieds.

Bereits vor unserem Ausflug nach Sumatra hatten wir Thomas und Sabine vorerst endgültig das letzte Mal gesehen, bevor die beiden von Singapur aus in die USA aufgebrochen waren, um von dort aus weiter zu berichten.

Wir sagen auch den hell erleuchteten Spitzen der Petronas Türme „Ade“, unserer fleißigen „Nachbarin“, die Tag für Tag von Früh bis Spät die Arbeiter (überwiegend Indonesier und Bangladeschis – die sollen laut Aussage eines chinesischen Taxifahrers einfach besser für körperliche Arbeiten geeignet sein?!) der Baustelle nebenan verköstigt, Samuel, einem Vorarbeiter und unserem „Gönner“ aus Ghana, der sich dafür eingesetzt hatte, dass wir umsonst Strom und Wasser nutzen durften, nehmen unser (vorübergehendes) Findelkind „Ampang“ an Bord und sind startklar!

Arbeitsbedingungen

Am schlemmen

Der kraftvolle Klang des Motors überzeugt und umgehend stellt sich beim Einbiegen auf die Hauptstraße Richtung stadtauswärts wieder „Reisefieber“ ein.

Um das Kapitel Kuala Lumpur vollends abzuschließen, legen wir noch einen kurzen Zwischenstopp bei der Firma ein, die hier in SOA wohl als einzige ein so umfangreiches Sammelsurium an Ersatzteilen und Zubehör für „antike“ Mercedes Benz Kurzhauber hat.

Frau Tan, die Juniorchefin und Michael, ein Mitarbeiter, hatten unterdessen Gelegenheit einen Blick auf unsere Reiseberichte zu werfen und haben nun nicht nur jede Menge mehr Fragen, sondern drücken auch sehr offen und ergreifend ihre Anerkennung für unser Tun aus.

„Vielleicht trifft man im Leben nur einmal Menschen, die so etwas erlebt haben!“ Zum Abschied gibt’s nebst praktischen Werbegeschenken Kaffee, Kakao und Obst(!) für die Kleene und zu guter Letzt eine Einladung von Michael zu typisch chinesischem Mittagessen. Lecker und wirklich großzügig!

Beim Ersatzteilhändler

Vielen Dank und liebe Grüße!

Am Ende der Welt

In Zeiten, in denen sich die „Barbaren“ einst auf den Rücken ihrer Pferde aufmachten, um ferne Länder zu erobern und die Welt in den Köpfen ihrer Bewohner nicht viel mehr als eine Scheibe war, wäre hier, im süd-östlichsten Zipfel der Eurasischen Landmasse, wo man nicht weiter, als auf die weite See hinaus sieht, wohl ganz klar das „Ende der Welt“ gewesen.

Heute, in Zeiten von Hochseefrachtschiffen, Jumbojets, Magnetschwebebahnen und Weltraumstationen hat sich die Sicht der Dinge verändert, ist die Erde zu einem Stecknadelkopf auf dem Bildschirm geschrumpft und es müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, in welche Richtung man sich bei einem unüberschaubarem Angebot wenden will.

Auch wir müssen uns an diesem Punkt überlegen, wohin uns diese Reise vorerst weiter verschlägt.

Verfrachten wir den Kurzhauber und machen uns auf den Weg in Richtung Australien, oder gar über den Pazifik in die „Neue Welt“? Bleiben wir an Ort und Stelle und ankern an den Traumstränden Asiens? Sind wir des Entdeckens langsam überdrüssig und verschiffen zurück nach Deutschland, um Heimatluft zu schnuppern?

Irgendwie versetzt uns keine dieser Optionen in Begeisterungsstürme!

Für was hat man denn 4 Räder unter`m Hintern, wenn man letzten Endes doch in Plastik verpackt auf einem Container landet?

Für dasselbe Geld, das uns der Rücktransport über`s Wasser nach Hamburg kosten würde, können wir rund 7 Monate „on the road“ sein!

Für Spanisch sprechen, Tequila trinken und unter`m Sombrero schwitzen sind wir momentan noch nicht bereit und um mit 7,5 Tonnen von Insel zu Insel bis nach Perth zu „hüpfen“, müssten Morpheus wohl Flügel wachsen.

Noch lockt der Kontinent zu unseren Füßen mit unentdeckten Ecken, ist die Mission: Asien nicht abgeschlossen.

In der Ferne erklingt der Ruf tibetischer Gebetstrommeln, 5000 Meter hohe Pässe warten darauf bezwungen zu werden und Begegnungen mit den Menschen der Berge stehen bevor.

Am Ende der Welt scheint für uns nur eine Entscheidung die richtige zu sein:

„Auf nach Nepal! Auf nach Kathmandu!“